Um Bremens zweitgrößten Verkehrsknotenpunkt, die Domsheide, droht Streit in der Koalition. In der Frage der Gestaltung hat sich das Verkehrsressort unter der Leitung von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) festgelegt: Zwischen dem Konzerthaus Glocke und dem Alten Postamt sollen die Haltestellen für Bahnen und Busse zusammengelegt werden. Von dieser Variante sind die Koalitionspartner SPD und Linke nicht überzeugt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngör fordert, dass die Entscheidungsgrundlagen für oder gegen die Verlegung der Straßenbahn aus der Obern- in die Martinistraße transparent dargelegt werden und anschließend eine zügige Entscheidung gefasst wird. Auch Miram Strunge, kulturpolitische Sprecherin der Linken, steht dem Schaefer-Plan skeptisch gegenüber.
Am Montag sollen verschiedene Institutionen, die Wirtschaftsförderung und die Deputierten von Wirtschaft und Kultur über die Pläne informiert werden. Eine Entscheidung über den Umbau muss in der Verkehrsdeputation gefällt werden. Die Handelskammer hält die Planungen für falsch und fordert ein Moratorium.
„Unstrittig ist, dass die Herausnahme der Straßenbahn aus der Obernstraße die dortige Aufenthaltsqualität erhöhen würde“, sagt Güngör. Alle Haltestellen an einem Ort zusammenzuführen sowie die Straßen und Fußwege fußgängergerecht zu gestalten, seien unerlässliche Maßnahmen. Erst dann könne man entscheiden, wo dies an dem für Außenstehende verwirrenden Verkehrsknoten geschehe. Miriam Strunge sagt: „Bei einer Bündelung der Haltestellen vor der Glocke sehe ich erhebliche Schwierigkeiten.“ Fraglich sei, ob die Bedenken in Sachen Lärm, Erschütterung, Anlieferung und Fluchtsituation von den Planern ausgeräumt werden könnten. Strunge hält die Variante mit Stationen an der Balgebrückstraße für die bessere Lösung.
Nächster Innenstadt-Gipfel steht Ende April an
Ende des Monats steht der nächste Innenstadt-Gipfel an, das Verkehrsressort will offenbar den Deckel auf die Planungen für den Verkehrsknoten machen. Der Prozess sei weit gediehen und man wolle zeitnah eine Entscheidung herbeiführen, sagte Senatorin Schaefer. Ihre favorisierte Variante sieht vor, dass die Straßenbahnen (Linien 4, 6, 8) und die Busse (24, 25) zwischen Altem Postamt und Glocke abfahren. Die Haltestelle an der Balgebrückstraße würde wegfallen. Die Bahnlinien 2 und 3 sollen wie bisher weiter vor dem Alten Postamt abfahren.
Als Gründe nennt Schaefer höhere Sicherheit und Barrierefreiheit sowie eine städtebauliche Verbesserung. Vor dem Konzerthaus solle mehr Platz geschaffen und die Anliefersituation verbessert werden. Für die Gestaltung werde laut Ressort ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben. „Die Belange der Glocke und des Verkehrs wollen wir bestmöglich lösen“, sagt Behördensprecher Jens Tittmann. Zudem sei ein Gutachten erstellt worden, wie schnell die Besucher der Glocke aus dem Gebäude flüchten können. Man habe keine Probleme festgestellt.
Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen hatte kritisiert, dass durch die Planungen die „platzgestalterische Anmutung“ der Domsheide verloren ginge. „Es ist ein schwieriges, festgefahrenes Thema“, sagt Olaf Orb, Innenstadtbeauftragter der Kammer. Er schlägt vor, für die Haltestellen in erster Linie die Balgebrückstraße zu nutzen. „Außerdem sollte ergebnisoffen geprüft werden, die Straßenbahn in die Martinistraße zu verlegen“, sagt Orb. Dafür solle man sich mit einem Moratorium zwei Jahre Zeit geben.
Musikfestintendant Thomas Albert, der sich für eine Aufwertung der Glocke und deren Umgebung starkmacht, ist „erschrocken“. „An der Domsheide sieht es dann aus wie am Hauptbahnhof, der Platz würde völlig zerfurcht und abgewertet“, befürchtet er. Für Menschen mit Behinderung und Radfahrer werde es schwieriger, den Bereich zwischen Altem Postamt und Glocke zu überqueren. Ähnlich wie die Handelskammer kritisiert Albert, die Glocke als Konzerthaus könne dabei nur verlieren, auch, weil „wir den Flüsterschienen nicht trauen“. Die BSAG hatte zugesagt, dass mit Verlegung der Spezialschienen die Lärmbelastung in den Sälen verringert würde. Auch Albert spricht sich für ein Moratorium des Umbaus bis 2025 aus.
Unklar ist, was aus den Plänen wird, die Glocke mithilfe von Bundesmitteln zu modernisieren und mit einem dritten Saal auszustatten. 40 Millionen Euro hatte der Bund Ende 2020 bewilligt. Bremen müsste, auf mehrere Jahre gestreckt, dieselbe Summe zuschießen. Er sei in die Gespräche nicht mehr involviert, erklärte Albert, der im November dazu ein Konzept vorgestellt hatte.