Industriehäfen. Überall in der Stadt warben kürzlich märchenhafte bunte Plakate für „Funun“ – ein syrisches Kulturfestival, das in diesem Sommer zum dritten Mal in Bremen stattfand. Acht Tage lang gab es dabei Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Konzerte im Lichthaus, der St. Remberti-Kirche, der Kulturkirche und dem Sendesaal. Hinter dem Festival, das sich in nur drei Jahren als größtes syrisches Festival europaweit etabliert und Strahlkraft über Bremen hinaus entfaltet hat, steht der Syrische Exil-Kulturverein (Seku), der sich 2016 gegründet hat und in Gröpelingen beheimatet ist.
„Wir sind eine Gruppe von zehn Personen, religionsneutral und nicht politisch positioniert, und wollen demokratische Werte und Menschenrechte vermitteln“, erzählt die Vereinsvorsitzende Jasmina Heritani. Der noch junge Verein hat große Pläne, die Heritani nun den Gröpelinger Ortspolitikern bei einer gemeinsamen Sitzung der Fachausschüsse „Bau, Verkehr, Umwelt und Häfen“ und „Inneres, Soziales, Gesundheit, Jugend“ vorgestellt hat.
Der Verein würde sich gerne vergrößern und auch baulich niederlassen. So sei die Idee entstanden, ein orientalisches Zentrum neben dem Lichthaus zu bauen, sagt die Wirtschafts-Arabistin und Kulturwissenschaftlerin. Orientalisches Zentrum – dieser Arbeitstitel ist Heritani zufolge dabei sehr bewusst gewählt worden. Denn der Verein will mit dem geplanten Kultur- und Gesundheitszentrum nicht nur die syrische Community ansprechen, sondern Menschen aus einem weit gefassten Kulturraum. Also zum Beispiel auch Neubremer mit arabischen oder armenischen Wurzeln.
Standort gegenüber der Waterfront
Zu einem späteren Zeitpunkt wolle man sich gerne Gedanken über einen anderen Namen machen, so Heritani. Und weiter: „Es soll ein Ort sein, der durch Bildung, Kultur und Gesundheit belebt wird. Unser Ziel ist es, dort Menschen zu integrieren und sie an Kultur, Bildung und Gesundheit heranzuführen.“ Schon seit Längerem interessierte sich der Verein für das Lichthaus; bei Funun hatten sich dort zu einer Veranstaltung nun rund 300 tanzende Menschen getroffen, wobei sechs verschiedene Sprachen gesprochen wurden, schwärmt Heritani. Auch sei der Standort direkt gegenüber der Waterfront sehr attraktiv, schließlich soll das Zentrum mit Leben gefüllt werden. So könnte im Erdgeschoss ein Café als Treffpunkt eingerichtet werden. Daneben würde der Verein gerne spezielle Angebote für junge Frauen und Mädchen in dem Gebäude unterbringen. Und es gibt die Idee einer deutsch-arabischen Kita mit einer Gruppe für Krippenkinder und zwei Gruppen für Kinder von drei bis sechs Jahren. Zu diesem Vorhaben habe der Verein bereits positive Signale von der Stadt bekommen, so Heritani: „Da besteht offenbar Bedarf.“ Auch eine Gemeinschaftspraxis mit im Ausland ausgebildeten Ärzten würde der Verein gerne in dem neuen Zentrum ansiedeln. Schließlich herrscht im Stadtteil Ärztemangel, so Heritani: „Wir müssen junge Mediziner motivieren, zu uns zu kommen.“
Noch ist all dies bloß eine Idee und nichts genehmigt. Das Bauressort hat laut Christiane Gartner, Geschäftsführerin der Lichthaus-Verwaltungsgesellschaft, einen ersten Blick darauf geworfen und den Plan zumindest nicht abgelehnt. Bei Immobilien Bremen (IB) wird demnach gerade geprüft, ob es rechtlich möglich wäre, das Lichthaus-Grundstück zu teilen und einen Teil davon zu veräußern. Sollte dies tatsächlich möglich sein, so könnte hier langfristig eine starke Allianz entstehen: Schon jetzt sorgen Christiane Gartner von Kultur vor Ort und Ralf Jonas vom Bürgerhaus Oslebshausen als Geschäftsführer der Lichthaus-Verwaltungsgesellschaft im Auftrag der Stadt für verschiedene soziale und kulturelle Aktivitäten im ehemaligen AG-Weser-Arbeiteramt.
Der Verein Seku jedenfalls steht in den Startlöchern. „Es gibt Privatinvestoren, die eine bestimmte Summe aufbringen könnten“, sagt Heritani; dieser Kreis könne noch erweitert werden. Auch vom Know-how her ist der Verein in der Lage, das Projekt umzusetzen – eines der Gründungsmitglieder ist der Bauunternehmer und Bremer Ehrenbürger Klaus Hübotter.
Zur Gestaltung des Gebäudes gibt es einige erste Ideen und eine klare Linie: „Das wird kein Aladin-Schloss, sondern ein moderner Bau, der zum Lichthaus passt. Sozusagen eine kleine Schwester für das Lichthaus.“ So könnte wie beim Lichthaus roter Backstein als Baumaterial verwendet werden – zum Beispiel mit eingearbeiteten orientalischen Ornamenten, die auf den zweiten Blick einen inhaltlichen Bezug zu dem neuen Kultur- und Gesundheitszentrum herstellen.
Bei den Gröpelinger Ortspolitikern kam die Idee augenscheinlich gut an. Dem im Ortsamt für Gröpelingen verantwortlichen Stadtteilsachgebietsleiter Ingo Wilhelms fiel spontan der persisch-arabische Universalgelehrte Avicenna beziehungsweise, auf Arabisch, Ibn Sina als Namenspatron für die Einrichtung ein: „Er steht für den Versuch in seiner Zeit, den Islam zu reformieren; außerdem passt sein interdisziplinäres Engagement gleichermaßen zur kulturellen und medizinischen Komponente des in Aussicht genommenen Zentrums.“
Bis der Syrische Exil-Kulturverein sich mit der Frage nach einem passenden Namen beschäftigt, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen. Sollte das Projekt tatsächlich umgesetzt werden, dann könnte es Heritani zufolge ein Beispielprojekt für soziales Engagement aus der Migrationsgesellschaft heraus werden: „Es ist nicht das erste, aber das erste für die syrische Community.“