Saisonstart auf dem „Schulschiff Deutschland“ – das bedeutet: Mit kleinster Crew wird das Schiff klargemacht: Schiffsbetriebsmeister Ingo Müller-Fellmett hat bis zum „Open Ship“ am Sonntag, 26. April, noch eine Woche Zeit, den Dreimaster an der Lesummündung auf Hochglanz zu bringen. Von 11 bis 17 Uhr laden der Deutsche Schulschiff-Verein und der WESER-KURIER dazu ein, das Schiff kennenzulernen und zu inspizieren. Das Angebot ist ein Dank an die Spender von bisher 145 000 Euro. Diese Summe hat die gemeinsam initiierte Rettungsaktion für den Dreimaster ergeben.
Vor der Gangway stehen Feuerlöscher, die gerade überprüft worden sind. Ein Bild wie in jedem Jachthafen vor Saisonstart, nur die Anzahl ist in diesem Fall erstaunlich. Ingo Müller-Fellmett ist in den Wochen im Bremerhavener Reparaturdock noch vorsichtiger geworden: „Feuerlöscher haben wir lieber mehr als üblich. Und wie wichtig unsere Brandmeldeanlage in jeder Kammer ist, hat sich gerade wieder in der Werft gezeigt, wo sie uns wertvolle Dienste geleistet hat.“ Wenn von draußen am Schiff geschweißt wurde, gingen drinnen schon einmal die Temperaturen so hoch, dass die Brandmelder Alarm geben mussten.
Als Müller-Fellmett am Silvestertag um 15 Uhr alle Leinen wieder in Vegesack fest hatte, hat er trotz einiger frischer Kratzer am Schiff drei Kreuze gemacht: „Und seitdem sind wir dabei, die Werftschäden, die es jedes Mal auch gibt, wieder in den Griff zu bekommen.“ Claus Jäger kommt an dem Schiffsbetriebsmeister vorbei und freut sich sichtlich, ihn schon mit Seifenwasser hantieren zu sehen: „Sieht so aus, als ob alles klappt mit dem Klarmachen.“
Der Vorsitzende und Geschäftsführer des Deutschen Schulschiff-Vereins guckt sich die letzten Beanstandungen der Werftarbeiten mit Müller-Fellmett gemeinsam an: Da ist unter den Stempeln der seitlichen Abstützungen keine Farbe gemalt worden und schwarze Autoreifen-Fender der Werftboote haben ihre Spuren an der frisch schneeweiß gemalten Außenhaut der Schönheit hinterlassen. Claus Jäger: „Wir haben in der kommenden Woche noch Gespräche mit der Werft, aber man muss deren Arbeit insgesamt eben auch würdigen.“
Es seien bei dem Aufenthalt Ende vergangenen Jahres deutlich mehr Reparaturstellen geschweißt worden, als ursprünglich geplant. Trotzdem sei die Werft beim Stahlverbrauch sogar noch eine Tonne unter der Prognose geblieben. Auch die Inneneinbauten der Kabinen hätten schneller geklappt als veranschlagt.
Jetzt will Jäger das Schmuckstück, Baujahr 1927, erst einmal stolz den Spendern und denen, die es noch werden wollen, präsentieren. Von Erbsensuppe aus dem großen Pott ist die Rede. Der Shanty-Chor „Schulschiff Deutschland“ soll mit dem „Trio Royal“ für den musikalischen Rahmen sorgen und unten in der Messe gibt es einen über einstündigen Film über den Umbau zu sehen – gedreht von einem lokalen Filmemacher.
Über Geld wird Claus Jäger am 26. April sicher oft reden: Noch gibt es eine Finanzierungslücke von rund 80 000 Euro, die er gerne ohne einen Kredit schließen würde. Jäger und Müller-Fellmett sind vorne am Bug angekommen, wo der Schiffsbetriebsmeister den Funkenflug der Werftflex nachzeichnet. Wo das brennende Metall gelandet ist, blüht nun der Rost. Mit den 86,20 Meter Schiff ist man eben – anders als beim Saisonstart einer Plastikjacht – nie wirklich fertig.
Die Geschichte des Dreimasters „Schulschiff Deutschland“
◼ Der Dreimaster „Schulschiff Deutschland” ist das einzige erhaltene Vollschiff und Segelschulschiff der deutschen Handelsschifffahrt. Er steht unter Denkmalschutz. Das Schiff wurde auf der Werft Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde (heute Bremerhaven) ausschließlich zur Ausbildung des Nachwuchses für Großsegler konstruiert und gebaut. Zum Zeitpunkt des Stapellaufes im Jahr 1927 war die Epoche der Segelschifffahrt bereits im Untergang begriffen. Der historische Segler ist das einzige Schiff der Flotte des Deutschen Schulschiffvereins (DSV), das sich noch in Deutschland befindet. Der 1900 in Berlin gegründete DSV kümmerte sich um die Ausbildungsförderung des seemännischen Nachwuchses der deutschen Handelsmarine an Bord von Segelschiffen. Zur Flotte des DSV gehörten auch die Schiffe „Großherzogin Elisabeth“ (1901 in Dienst gestellt), „Prinzess Eitel Friedrich“ (1909), „Großherzog Friedrich August“ (1914), „Schulschiff Pommern“ (1893 in Glasgow als „Elfrieda“ gebaut und nach Umbau 1928 vom DSV in Dienst gestellt) und „Seute Deern II“ (1939 als „Noona Dan“ in Svendborg gebaut und ab 1964 nach Umbau im Dienst des DSV).
Das „Schulschiff Deutschland“ unternahm von 1927 bis 1944 zwölf Überseefahrten, unter anderen bis nach Südamerika, sowie 17 Ausbildungsfahrten in Nord- und Ostsee. Zwischen 1945 und 1950 diente es zunächst als Lazarettschiff in Lübeck, dann als Wohnschiff für deutsche Minenräumeinheiten in Cuxhaven und schließlich in Bremen als Jugendherberge. 1952 bis 1972 wurde es als Seemannsschule genutzt. 1995/1996 wurde das „Schulschiff Deutschland“ auf der Vulkan-Werft originalgetreu restauriert. Seit 1996 liegt es an der Lesummündung in Vegesack.
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