Nicht nur in den Bremer Schulen gibt es zu wenige Lehrer: In der Lehramtsausbildung an der Uni Bremen fehlen Dozenten und Ausbilder. Das haben betroffene Studierende dem WESER-KURIER berichtet. Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität bestätigte die Information. Ein Vertreter des Gremiums erklärte: „Darunter leidet nicht nur die Lehre, der Zustand sorgt auch für eine hohe Belastung bei den übrigen Lehrenden.“ Eine genaue Zahl, wie viele Lehrende in welchen Fachbereichen fehlten, konnte der Asta am Donnerstag nicht nennen.
Nach Angaben einer Sprecherin der Uni Bremen sei bei der Personaldezernentin sowie im Fachbereich Erziehungswissenschaften bisher kein Engpass bekannt, wie ihn die Lehramtsstudierenden beschreiben. Für die Betroffenen sei spürbar, dass Dozenten fehlten, sagte hingegen der Asta-Vertreter, der namentlich nicht in der Zeitung erscheinen möchte: Besonders bei Prüfungen und Hausarbeiten dauere die Benotung oft mehrere Monate. Auch in Seminaren und Kursen werde deutlich, dass Lehrende zusehends überlastet seien: Die Qualität verschlechtere sich.
Das Problem ist der pädagogische Anteil des Studiums, sagt Michael Thiele, Mitglied im Landesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bremen. Denn neben den Fachmodulen gehören zu einem Lehramtsstudium auch Kurse in Pädagogik und Didaktik. Letzteres ist die Praxisanleitung für den Schulunterricht und wird von ausgebildeten Lehrern unterrichtet, die entweder von der Bildungsbehörde an die Uni abgeordnet wurden oder einen Lehrauftrag neben dem normalen Schulunterricht erfüllen.
Die Pädagogikkurse hingegen geben Mitarbeiter der Fachbereichs Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Als „Flaschenhals“ bezeichnet Thiele diese Module, durch die jeder angehende Lehrer durch muss. Dort sei die Personaldecke knapp. Wie an vielen Instituten der Uni, sagt Thiele: „Die Beschäftigungsverhältnisse an der Uni sind sehr unsicher.“ Perspektiven auf unbefristete Stellen gebe es wenige für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Und jene, die mit einem Lehrauftrag an der Uni arbeiteten, würden nur für die Unterrichtsstunden, nicht aber für die Vor- und Nachbereitung entlohnt. Deshalb wählten gerade in den Erziehungswissenschaften viele den Weg in die Schulen, um dort einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen.
Ausbildung des Nachwuchses gerät ins Stocken
Die Plätze in den jeweiligen Kursen sind deshalb begrenzt. „Man kann keinen der Mitarbeiter zwingen, noch mehr Kurse zu geben oder mehr Studierende aufzunehmen“, so Thiele. Wer aber so ein Seminar nicht belegen kann, muss warten und kommt in seinem Studium nicht weiter. Konkret heißt das: In Zeiten des Lehrermangels gerät die Ausbildung des Nachwuchses ins Stocken. Denn auch in den fachdidaktischen Modulen gibt es Engpässe, sagt Thieles Kollege, GEW-Sprecher Christian Gloede. „Es fehlen Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker.“ Damit bringen nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer Studierenden der verschiedenen Fachbereiche bei, wie abstrakte Inhalte aus Mathematik, Deutsch oder Biologie im Unterricht besprochen werden können.
Ein Problem, das nicht neu ist. Schon im vergangenen Jahr hatte sich gezeigt, wie knapp die Personaldecke für die Didaktikmodule ist: Bedingt durch den akuten Lehrermangel hatte die Bildungsbehörde im Juni 2018 angekündigt, Lehrer von der Uni abzuziehen. Dabei ging es um zwölf Stellen, für die Lehrer von der Bildungsbehörde abgestellt worden waren, die mutmaßlich nicht verlängert werden sollten. Nach Verhandlungen zwischen Universität und Bildungsbehörde wurde nur eine der Stellen nicht verlängert. Allerdings war angekündigt worden, dass schon in diesem Jahr die Zahl der abgeordneten Lehrer reduziert werden müsse. Wie viele Lehrer aktuell an der Uni unterrichten, konnte die Bildungsbehörde am Donnerstag nicht sagen.
Allerdings, so GEW-Vertreter Thiele, gelte seit vergangenem Jahr eine Vereinbarung zwischen Bildungsressort und Universität, nach der Lehrer für die Didaktikkurse nicht mehr voll von ihrem Dienst an den Schulen freigestellt sind. Zudem sind ihre Lehrtätigkeiten auf vier Jahre begrenzt. Die Kombination aus diesen reduzierten Abordnungen und den schlechten Perspektiven sorge für Engpässe. Dabei gibt es immer mehr Interessenten für ein Lehramtsstudium: Von den 5000 Erstsemestern in diesem Wintersemester wollen 400 Lehrerinnen und oder Lehrer werden, knapp zwei Drittel streben den Dienst an einer Oberschule oder einem Gymnasium an. Beworben hatten sich nach Angaben der GEW weit über 1000 Menschen.
„Es wollen viele Lehramt studieren“, sagt Thiele. Die begrenzte Zahl der Studienplätze wiederum hänge von der knappen Personaldecke ab. Das zeige sich auch, wenn abgelehnte Bewerber die Uni auf einen Studienplatz verklagen. In diesem Jahr ist das nach Angaben des Asta für das Lehramtsstudium besonders oft vorgekommen. Haben sie sich erfolgreich „eingeklagt“, kommen sie in den für eine bestimmte Anzahl Studierende ausgelegten Lehrveranstaltungen oben drauf. Das Ergebnis: überfüllte Kurse, mehr Belastung für die Dozenten. „Das Interesse ist da, die Plätze sind es nicht“, so Thiele.
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