Ein goldenes Kreuz hängt um ihren Hals, ihre Stimme ist ruhig und stark, die Augen sind nach vorne gerichtet. „Jeden Sieg, den wir Frauen errungen haben, haben wir erreicht, weil wir solidarisch waren“, sagt Schwester Lea Ackermann. Anlässlich des Weltfrauentages und 100 Jahre Frauenwahlrecht sprach sie am Montag im Willehadsaal zum Thema Menschenwürde.
Eigentlich war die gebürtige Saarländerin 1985 von ihrer Gemeinschaft Unserer Lieben Frau nach Kenia geschickt worden, um ein Lehrerseminar aufzubauen. Doch dann sieht Lea Ackermann am Hafen von Mombasa die vielen jungen Frauen, die aus wirtschaftlicher Not heraus in der Prostitution arbeiten. Mombasa sei wunderschön gewesen damals und hätte viele Touristen angezogen, berichtet die Katholikin, dann wird ihre Stimme hart.
„Es hat mich so sauer gemacht, zu sehen, wie diese armen Frauen und Kinder auf der Straße ausgebeutet wurden von wohlhabenden Touristen“, sagt sie bitter. Kurzum fasste sie einen Entschluss: „Das sind die chancenlosen Töchter Gottes, denen ich helfen will!“ Sie gründete ihre Hilfsorganisation „Solidarity with Women in Distress“ (Solwodi).
Heute, 33 Jahre später, betreibt Solwodi 34 Beratungsstellen in Kenia. Für ihr Engagement wurde Lea Ackermann gleich mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz. Das Ausstiegsprojekt für Frauen und Kinder aus der Armutsprostitution sei für sie der größte Glaubensbeweis, sagt die Ordensfrau. Sie schätzt neben der Beratung und sicheren Unterbringung vor allem auch die psychosoziale Betreuung als sehr wichtig ein.
„Die Frauen, denen wir helfen, sind oft psychisch und physisch krank“, erklärt sie. Zusätzlich würden sich viele sehr schämen. Um ihnen die Kontrolle über ihr Leben zurückzugeben, betreibe Solwodi Ausbildungszentren und helfe jungen Mädchen beim Schulabschluss. So gebe es jetzt mehrere Bäckerinnen, Friseusen, Schuhmacherinnen und Schneiderinnen, die von Solwodi ausgebildet wurden.
"Keine Frau macht so etwas freiwillig"
Eine Begegnung kürzlich bei einem Besuch in Kenia habe Lea Ackermann besonders viel Freude bereitet: „Eine junge Frau ist mit ausgestreckter Hand auf mich zugegangen. ‚Dank Solwodi kann ich ihnen jetzt in die Augen schauen, jetzt bin ich eine Geschäftsfrau‘, hat sie stolz gesagt.“ In Deutschland gibt es Solwodi seit 1987. Allein im vergangenen Jahr hätten sich 2500 Frauen erstmalig an ihre 18 Beratungsstellen gewandt.
Die meisten seien aus Rumänien und Bulgarien gewesen. „Hilfe ist anonym, kostenlos und überkonfessionell“, versichert Ackermann. Gerade sammelt sie Unterschriften für eine komplette Abschaffung der Prostitution in Deutschland. Sie differenziere längst nicht mehr zwischen Prostitution und Zwangsprostitution. „Keine Frau macht so etwas freiwillig“, sagt sie voll Überzeugung. Ihre Unterschriftensammlung möchte sie bald der neuen Familienministerin vorlegen.