"UETD" mit neuen Büros Erdogan-Lobby expandiert in Bremen

Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten reift unter Migranten zu einer sozialen Kraft. In zwei Bremer Stadtteilen hat der Verband, der dem türkischen Präsidenten Erdogan nahesteht, Büros eröffnet.
25.03.2018, 16:23 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Erdogan-Lobby expandiert in Bremen
Von Jürgen Theiner

UETD – dieses Kürzel sagt den meisten Bremern wenig; es sei denn, sie haben türkische Wurzeln. Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten hat in den vergangenen Jahren ihren Einfluss unter den türkischstämmigen Bremern stetig ausgebaut. Sie hat sich zu einer sozialen und politischen Kraft gemausert, die auch in den Bürgerschaftsparteien aufmerksam beobachtet wird. Spätestens seit die UETD im Januar neben ihrem Büro in Gröpelingen auch zwei Stadtteil-Niederlassungen in Blumenthal und Hemelingen eingerichtet hat, ist klar: Der Verband will die türkische Community in der Fläche erreichen und mit seinen Botschaften durchdringen.

Welche Botschaften sind das? Nimmt man die eigene Außendarstellung für bare Münze, dann geht es der UETD im Wesentlichen um die Förderung des politischen, sozialen und kulturellen Engagements türkischstämmiger Menschen in den EU-Staaten und um die gesellschaftliche Integration. Ganz ähnlich drückt es auch der Bremer UETD-Vorsitzende Burak Cayli aus, wenn man ihn in seinem Gröpelinger Büro trifft, eine Etage über den Vereinsräumen des Fußballklubs Vatan Spor. Cayli steht seit 2014 der Bremer Sektion vor. "Damals kannte uns in der türkischen Community kaum jemand, aber das haben wir schnell hinbekommen", sagt Cayli stolz.

Türkischstämmige wollen mehr Lokalpolitik machen

In der türkischen Gemeinschaft habe es jahrzehntelang eine ausgeprägte Abstinenz gegenüber der Stadtteilpolitik gegeben. "Wir möchten, dass sich das ändert. Wir möchten, dass sich türkischstämmige Bürger stärker mit ihrem Lebensumfeld identifizieren und ihre Meinung kundtun", so Cayli. Ein wichtiges Betätigungsfeld der UETD sieht er zudem darin, in die Familien zu vermitteln, welch hohen Stellenwert Bildung in der deutschen Gesellschaft hat. Bei ihren Hausbesuchen setzten sich die Aktivisten des Verbands in diesem Sinne ein. Das alles geschehe auf überparteilicher Basis.

Doch die Überparteilichkeit der UETD, das räumt auch Cayli ein, bezieht sich nur auf die örtliche Ebene. Als politisches Vorbild gilt ihm der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Und das dürfte auch bei der übergroßen Mehrheit der UETD-Funktionäre der Fall sein. Denn spätestens seit dem missglückten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 und den nachfolgenden politischen Umwälzungen am Bosporus agieren die UETD-Gliederungen in Deutschland als verlängerter Arm von Erdogans Partei AKP.

Cayli soll Erdogan-Vertrauten getroffen haben

In einer Antwort des Bremer Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Linken wurden Anfang Februar diverse Pro-Erdogan-Aktivitäten der Bremer UETD-Sektion aufgelistet, unter anderem die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für das türkische Verfassungsreferendum im April 2017. Im gleichen Senatspapier ist von Treffen Caylis mit dem Erdogan-Vertrauten Metin Külünk die Rede. Külünk gilt nicht nur als Sprachrohr von Erdogans Auslandspropaganda. Ihm wird unter anderem auch die Finanzierung der rockerähnlichen Gruppe "Osmanen Germania" vorgeworfen.

Unter den Bürgerschaftsabgeordneten mit türkischen Wurzeln gibt es sehr unterschiedliche Haltungen zur UETD. Einzelne hatten vor der Wahl im Frühjahr 2015 ein Angebot der Bremer Sektion wahrgenommen, sich in Werbevideos den stimmberechtigten Bremern mit türkischen Wurzeln bekanntzumachen. Andere stehen den Aktivitäten der UETD ausgesprochen kritisch gegenüber, so etwa die Bremerhavenerin Sülmez Dogan.

Die Vizepräsidentin der Bürgerschaft glaubt, dass die UETD mit ihren Aktivitäten eher auf einen politisch-kulturellen Gegenentwurf zur deutschen Mehrheitsgesellschaft hinarbeitet. Vorhandenen Abgrenzungstendenzen in der türkischen Community werde Vorschub geleistet. "Man merkt an so vielen Stellen, dass schon den Kindern religiös geprägte Reflexe antrainiert werden. Da werden zum Beispiel auf dem Schulhof Gummibärchen abgelehnt, weil da Schweinefett drin ist. Vor dreißig Jahren, als ich zur Schule ging, war das kein Problem", sagt Dogan. Es seien nicht zuletzt solche kleinen Dinge des Alltags, über die Trennendes aufgebaut werde.

Die UETD leiste mit ihrer Arbeit – anders als behauptet – keinen Beitrag zur Integration. "Im Gegenteil. Die Menschen aus der türkischen Community werden angehalten, sich ständig ihrer kulturellen Wurzeln zu versichern und sich möglichst auf nichts anderes einzulassen. Das betrifft auch den Medienkonsum", sagt Dogan. Im Dunstkreis der UETD schaue niemand deutsches Fernsehen.

Im Übrigen hätten die UETD-Funktionäre eine recht klare Vorstellung davon, an welche Bürgerschaftsabgeordneten sie herantreten müssten, um ihre Themen an die Politik heranzuspielen. Dogan: "Mich haben die noch nie eingeladen."

UETD biete Seminare zur EU und zu Islamophobie an

"Was nicht ist, kann ja noch werden", sagt Cayli. Er kann an der Basisarbeit, die von der UETD neuerdings auch in Hemelingen und Blumenthal geleistet wird, nichts Integrationshemmendes erkennen. "Wir bieten in unseren Räumen zum Beispiel Seminare zu Europäischer Union, Psychologie oder Islamophobie an", gibt Cayli Einblick in die Themenpalette. An dem Verdacht, dass das Geld für die Ausdehnung der Aktivitäten aus der Türkei kommt, sei nichts dran. "Wir haben für unsere Stadtteileinrichtungen jeweils einen Kreis von etwa 15 Leuten, die das Geld sammeln und zusammenschmeißen." Spricht man ihn auf die Bürgerschaftswahl 2019 an, hält sich der UETD-Vorsitzende noch bedeckt.

Es sei offen, ob sein Verband wie schon 2015 darauf setzt, türkischstämmige Bewerber deutscher Parteien zu unterstützen, oder diesmal mit einer eigenen Liste antritt. In den Niederlanden ist eine solche Migrantenpartei auf kommunaler Ebene bereits in einigen Gemeinden erfolgreich gewesen. Man werde diese Frage "mit den Menschen auf der Straße" diskutieren und dann "kurzfristig entscheiden", kündigt Cayli an.

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