War der Zeuge selbst auch Täter? Im Verfahren gegen Valentin S. hat sein Verteidiger ein Video vorgelegt. Demnach könnte nicht nur der Angeklagte, sondern auch sein Opfer Körperverletzung begangen haben.
War der Zeuge selbst auch Täter? Im Verfahren gegen Valentin S. hat der Verteidiger des Werder-Ultras jetzt ein Video vorgelegt, das nahe legt, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch sein Opfer eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft aufgrund dieses Videos Ermittlungen gegen das Opfer von Valentin S. eingeleitet. Und sie räumt ein, dass dieses Material eventuell bei der Strafzumessung für Valentin S. zu berücksichtigen sein wird.
Wie berichtet, war Valentin S. einer der Männer, die am 19. April 2015 nach dem Fußballspiel von Werder Bremen gegen den HSV vor der Kneipe Verdener Eck einen 38-Jährigen niedergeschlagen haben, der der rechten Szene zugeordnet wird. Valentin S. hat diese Tat vor Gericht gestanden. In dem Prozess hatte sein Verteidiger, Horst Wesemann, das Opfer allerdings zur Vorgeschichte der Tat befragt. Ob der 38-Jährige nicht seinerseits zuvor einen Werder-Ultra mit einer leeren Bierkiste niedergeschlagen habe? Der Zeuge machte hierzu keine Angaben, aber jetzt legt Wesemann nach. Er hat der Staatsanwaltschaft ein Video vorgelegt und Strafanzeige gegen den Zeugen erstattet.
Der kurze Film, der dem WESER-KURIER vorliegt, zeigt, wie sich ein Mann einem Werder-Ultra nähert, ihm von hinten eine leere Bierkiste auf den Kopf schlägt und dann scheinbar völlig ungerührt mit der Kiste in der Hand an seinem am Boden liegenden Opfer vorbeigeht.
Für Wesemann gehört diese gefährliche Körperverletzung zur Vorgeschichte der Straftat seines Mandanten. Dies bedeute zwar nicht, dass die angeklagte gemeinschaftliche Körperverletzung gegen Valentin S. straflos bleibe, betont der Anwalt. „Allerdings erklärt ein derartiges beobachtetes Verhalten die spätere Tätlichkeit und dürfte im Rahmen der Strafzumessung von Bedeutung sein.“
Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so. Natürlich dürfe es keine Selbstjustiz geben, erklärt Pressesprecherin Petra Meyer. Soll heißen, wenn jemand beobachtet, dass eine Person mit einer Bierkiste niedergeschlagen wird, sollte der Schläger angezeigt statt seinerseits niedergeschlagen werden. Gleichwohl müsse tatsächlich geprüft werden, ob dieser Vorgang bei der Strafzumessung für Valentin S. zu berücksichtigen sei. Schließlich sei es ein Unterschied, ob jemand völlig ohne Anlass auf einen anderen einprügele oder zum Beispiel, um einen Freund zu „rächen“.
Wesemann wiederholt in diesem Zusammenhang den Vorwurf, dass bei Staatsanwaltschaft und Gericht wenig Neigung zu verspüren sei, die Vorgeschichte der angeklagten Tat aufzuklären. Wozu der Anwalt auch zählt, dass die Werder-Ultras im Vorbeigehen am Verdener Eck „von anwesenden Nazigrößen angepöbelt und angegriffen wurden“. Die entsprechenden Hinweise von Valentin S. – bis hin zu der Attacke mit der Bierkiste – seien als reine Schutzbehauptungen abgetan worden.
Außer den Angaben von Valentin S. in einer richterlichen Vernehmung habe es hierzu keinerlei Aussagen gegeben, erklärt das Staatsanwältin Petra Meyer. Auch das Video mit dem Bierkistenschläger sei bislang nicht bekannt gewesen.