Mordprozess gegen Bremer Motorradraser Erste Zeugen belasten Angeklagten

Am zweiten Verhandlungstag im Mordprozess gegen einen 24-jährigen Bremer, der im Juni mit seinem Motorrad einen Mann totgefahren hat, wurden am Donnerstagvormittag die ersten Zeugen vernommen.
15.12.2016, 08:07 Uhr
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Erste Zeugen belasten Angeklagten
Von Ralf Michel

Am zweiten Verhandlungstag im Mordprozess gegen einen 24-jährigen Bremer, der im Juni mit seinem Motorrad einen Mann totgefahren hat, wurden am Donnerstagvormittag die ersten Zeugen vernommen.

„Warum fahren Sie so schnell? Was bringt Ihnen das?“ Nach etwa einer Stunde Prozessdauer stellt der Staatsanwalt dem wegen Mordes angeklagten Motorradfahrer am Donnerstag diese Fragen. Aber der 24-Jährige kann sie nicht beantworten.

Zwei-, dreimal setzt er an, atmet tief durch, doch er bringt kein Wort heraus. Die Sitzung wird unterbrochen, dann ein zweiter Versuch. „Das ist gerade nicht so einfach“, sagt er kaum hörbar ins Mikrofon. Darüber jetzt zu reden „fühlt sich relativ falsch an“. Er meint den Kick, den Adrenalinschub, den er sich durch das extreme Beschleunigen seines Motorrades verschafft hat.

„Weil es Spaß macht“

Darüber zu sprechen, fällt ihm schwer. Zumal in Gegenwart der Angehörigen des Opfers, die als Nebenkläger mit im Gerichtssaal sitzen. Doch dann spricht er sie doch aus. Diese eine, scheinbar so banale Wahrheit: „Weil es Spaß macht.“

Es ist der zweite Verhandlungstag im Verfahren gegen einen 24-Jährigen, der am 17. Juni mit seinem Motorrad einen Fußgänger getötet hat. Wie beim Prozessauftakt angekündigt, äußert sich der Angeklagte. Üblich wäre, dass er den Tatablauf aus seiner Sicht schildert. Doch das schaffe er nicht, sagt sein Anwalt. „Er hatte eine sehr schwere Nacht und ist völlig durcheinander.“

Aber zumindest antwortet er bereitwillig auf die Fragen von Richter und Staatsanwaltschaft. Gibt zu, dass er häufig viel zu schnell durch Bremen gefahren ist und mit den Filmen, die er per Helmkamera aufgenommen hat auf Youtube („Alpi fährt“) Geld verdiente. Im Monat vor dem Unfall waren es 900 Euro.

Am Tag vor dem Unfall Marihuana geraucht

Und er räumt auch ein, dass er am Tag vor dem Unfall Marihuana geraucht hat („aber nicht einmal einen halben Joint“). Und ja, dass er keine Fahrerlaubnis für die 200 PS starke Kawasaki hatte, sondern nur Motorräder bis maximal 48 PS fahren durfte, war ihm bewusst.

Am 17. Juni habe er abends noch eine Runde mit dem Motorrad drehen wollen. Wie immer mit seiner Helmkamera gefilmt und live kommentiert. Doch die Kamera habe schon kurz nach dem Start ihren Geist aufgegeben. So bleibt es, was die Fahrt betrifft, bei seinen Erinnerungen. Die aber sind lückenhaft.

Vor allem, wenn er nach der Geschwindigkeit gefragt wird, mit der er unterwegs war. Als ihn der Staatsanwalt damit konfrontiert, dass er bei der Vernehmung durch einen Sachverständigen von 150 km/h gesprochen hat, nickt er. „Geschätzt kommt das sicher hin.“

24-Jähriger hat Probleme sich zu erinnern

Einen Unfall mit einem Pkw und einen Beinaheunfall mit einem Motorrad wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor. Damit hat der 24-Jährige Probleme. Er wisse, dass er den Pkw überholt habe, „aber ich tue mich schwer damit, mich daran zu erinnern, dass ich ihn berührt habe“.

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Auch an den Motorradfahrer, den er beim Überholen an einer Kreuzung nur um Haaresbreite verfehlt haben soll, kann er sich nicht erinnern. Auszuschließen sei das nicht, aber an diesem Tag habe die Kreuzung eigentlich nicht auf seinem Weg gelegen. „Eventuell war das an einem anderen Tag.“

Doch hier hat der Angeklagte Pech. Der Motorradfahrer, der als Zeuge vor Gericht aussagt, ist ein 59-jähriger Polizist. Und der erinnert sich nicht nur sehr genau an das Datum und daran, „dass er mich mit extrem hoher Geschwindigkeit überholt hat“, sondern auch an weitere Details.

Angeklagter fuhr zwischenzeitlich stehend

Stehend sei der Angeklagte zwischenzeitlich gefahren und auch mal freihändig. Oder im Originalton, wie der Polizist es am 17. Juni zu Hause gegenüber seiner Frau formulierte: „Da war ein Drecksack, der hat mich wie ein Wahnsinniger überholt.“

Auch zum tödlichen Unfall selbst gibt es am Donnerstag unterschiedliche Aussagen. Der Angeklagte will stark gebremst haben, als er den 75-Jährigen an der Ampel vor sich über die Straße gehen sah. Keine Chance mehr auszuweichen. Nur noch das Hoffen, dass der Mann einen Schritt weiter geht und es nicht zur Kollision kommt. „Ich war komplett in der Starre, hab' nur noch gebremst und mich am Motorrad festgekrallt.“

Ganz anders schildern dies zwei Schüler als Zeugen vor Gericht. Die beiden Jugendlichen, 16 und 17 Jahre alt, hatten die Straße unmittelbar vor dem 75-Jährigen in entgegengesetzter Richtung überquert. Als sie gingen, sei auf der langen, gut einsehbaren Straße von dem Motorrad noch nichts zu sehen gewesen, sagen beide übereinstimmend aus.

Doch plötzlich hätten sie das Aufheulen einen Motorrades gehört, sich umgedreht und den Fahrer heranrasen gesehen. Dann sei der Unfall auch schon passiert. Der Fahrer habe nicht gebremst, sondern im Gegenteil sogar noch Gas gegeben. Näheres hierzu wird vom Bericht eines technischen Sachverständigen erwartet, der aber erst im neuen Jahr aussagt. Die Verhandlung wird am 5. Januar fortgesetzt.

Besetzungsrüge abgewiesen
Die Bildung der Hilfsstrafkammer, die den Prozess gegen den 24-jährigen Motorradfahrer führt, war zulässig. Andere Maßnahmen wären nicht geeignet gewesen, um der Überlastung der eigentlich zuständigen Kammer zu begegnen. Und auch eine unzulässige Einzelfallzuweisung liege nicht vor. Mit diesen Worten wies der Vorsitzende Richter der Hilfskammer am Donnerstag die Besetzungsrüge der Verteidigung vom Prozessauftakt zurück.

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