Bei den Grünen bahnt sich eine kontroverse Landesmitgliederversammlung (LMV) an. Wenn es am Montagabend im Neustädter Veranstaltungszentrum „Kwadrat“ um die Bestätigung des Spitzenteams für die Bürgerschaftswahl 2019 geht, dann könnte der Unmut, der große Teile der Basis erfasst hat, mit selten gesehener Heftigkeit über den Landesvorstand hereinbrechen. Der Konflikt hat das Potenzial, die gesamte Führungsriege des Landesverbandes nachhaltig zu erschüttern.
Ausgangspunkt ist die Empfehlung des Landesvorstandes von Mitte April, bei der Landtagswahl mit einer weiblichen Dreierspitze ins Rennen zu gehen, bestehend aus Finanzsenatorin Karoline Linnert, Fraktionschefin Maike Schaefer und Sozialsenatorin Anja Stahmann – wobei Linnert eindeutig die Rolle der Listenführerin und damit der eigentlichen Spitzenkandidatin zugedacht war. Dieser Entscheidung war ein monatelanges innerparteiliches Ringen um die Pole-Position auf der Grünen-Liste vorausgegangen. Neben Linnert konnte sich nämlich auch Maike Schaefer vorstellen, die Spitzenkandidatur zu übernehmen. Linnert den Fehdehandschuh hinzuwerfen und die offene Konfrontation mit dem überwiegend Linnert-treuen Landesvorstand zu wagen, davor schreckte Schaefer letztlich aber doch zurück.
Bei vielen einfachen Parteimitgliedern hinterließ das vom Vorstand arrangierte Tableau für die ersten drei Listenplätze einen schalen Nachgeschmack. Denn das letzte Wort über die Zusammensetzung der grünen Bürgerschaftsliste hat satzungsgemäß die Basis, und zwar auf einer Art Wahlparteitag („Listen-LMV“) im Dezember. Klar ist allerdings auch: Eine neun Monate alte Vorfestlegung der Spitzenplätze durch den Landesvorstand würde sich dann kaum noch rückgängig machen lassen, jedenfalls nicht ohne erheblichen Gesichtsverlust für alle Beteiligten.
Frage der Spitzenkandidatur weiterhin offen
Seit dem Votum des Landesvorstandes für die Dreierspitze drängten deshalb zahlreiche Vertreter der Basis und auch einzelne Stadtteilverbände auf eine baldige Aussprache, die es nun also am Montag geben soll. Der Landesvorstand hat dazu einen Antrag vorgelegt. Erstaunlich: In dem Papier wird zwar an der Vorstellung eines Spitzentrios aus Linnert, Stahmann und Schaefer festgehalten, auch werden die Bewerberinnen über den grünen Klee gelobt („Drei so starke Frauen an der Spitze sind ein Alleinstellungsmerkmal!“) – über die Listenführerschaft steht darin aber kein Wort mehr. Die Frage, um die im Frühjahr so verbissen gerungen wurde, ist plötzlich ausgeklammert. Der Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Güldner, ein Intimfeind Linnerts, will mit einem Änderungsantrag erreichen, dass die Frage der Spitzenkandidatur auch formal für weiterhin offen erklärt wird. Er regt an, die Basis in einer Urwahl darüber entscheiden zu lassen, wer die Partei auf Platz eins in den Wahlkampf führen soll. „Das wäre ein charmantes Instrument“, sagt auch seine Fraktionskollegin Kai Wargalla, deren Wort vor allem bei den jüngeren Parteimitgliedern Gewicht hat. Sie will Güldners Änderungsantrag unterstützen.
Mit wem man auch spricht im Grünen-Funktionärskader: Alle erwarten, dass es am Montag heftig zur Sache geht und sich der Landesvorstand einiges anhören muss. Dabei wird es auch um die Frage gehen, ob es grundsätzlich in Ordnung ist, die ersten drei Listenplätze nur mit Frauen zu besetzen. Bisher war es bei den Bremer Grünen üblich, mit einer Frau an der Spitze anzutreten und die nachfolgenden Plätze abwechselnd männlich und weiblich zu besetzen. Der Schwachhauser Beiratspolitiker Dietrich „Hucky“ Heck, ein Urgestein der Partei, will an diesem Modus festhalten. Er hatte bereits kurz nach der Ausrufung der weiblichen Dreierspitze im April mit Rückgabe seines Parteibuchs gedroht, falls sich an dieser Konstellation nichts mehr ändert. Gegenüber dem WESER-KURIER bekräftigte er jetzt seine Ankündigung. Weitere langjährige Aktive könnten sich diesem Schritt anschließen, deutete er an.