Diskussion über Seenotrettung in Bremen "Europa schottet sich ab"

Die Heinrich-Böll-Stiftung lud am Mittwochabend zur Podiumsdiskussion in Bremen ein. Themen waren die Kriminalisierung der Seenotrettung und die Perspektiven auf Flucht und Ankunft.
14.02.2019, 08:12 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Chantal Moll

"Die Lage auf dem Mittelmeer hat sich seit dem vergangenen Jahr zugespitzt", erzählte Seenotretter Hendrik Simon von Sea Watch während der Diskussion im Wall-Saal am Mittwochabend. Unter dem Motto "Bremen liegt am Mittelmeer! - Perspektiven auf Flucht und Ankunft" lud die Heinrich-Böll-Stiftung Bremen ein. Die Organisationen Seebrücke Bremen und "Amnesty International" unterstützten sie dabei.

"Geflüchtete Menschen sind mit zwei Seiten der Flucht konfrontiert: Das Verlassen der Heimat wegen Folter und Gewalt, Diskriminierung, Hunger, Elend und Verfolgung. Und mit der Abschottungspolitik Europas." Mit diesen Worten eröffnete Grünen-Politikerin Kabire Yildiz ihre Rede. Sie sagte, dass geflüchtete Menschen nur am Leben bleiben wollen und, dass man das "Drama auf dem Mittelmeer" nicht auf Zahlen reduzieren dürfe. "Europa schottet sich ab, das ist nicht akzeptabel."

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Zwei Flüchtlinge berichteten von ihrer Route nach Bremen. Der 18-jährige Mudo gehört der Organisation "Together we are Bremen" an und kam von Libyen über das Mittelmeer nach Italien. Mudo verbrachte zwei Jahre in Italien, als er dort nicht zur Schule gehen durfte, entschloss er sich, nach Deutschland zu kommen. In Bremen kann er immer noch nicht in die Schule gehen - so wie viele andere Geflüchtete auch. "Wir brauchen die Zuwendung der Gesellschaft, wir wollen nicht isoliert werden", sagte Mudo, der dennoch glücklich ist, in Bremen zu sein.

Ein Seenotretter erzählt

Die Fluchtroute von Libyen nach Italien ist eine der Routen, auf denen Seenotretter Hendrik Simon gemeinsam mit der Sea-Watch-Crew Menschenleben rettet. Besonders geprägt hat ihn die Tour im Mai 2018. Da bemerkte er, dass sich auf dem Mittelmeer etwas ändert. Die Besatzung fuhr mit zwei Rettungsbooten zu den Menschen auf dem Mittelmeer. "Als erstes verteilen wir Rettungswesten. Es ist egal, ob du schwimmen kannst oder nicht, wenn du ins Mittelmeer fällst und keine Rettungsweste trägst, ertrinkst du", erzählte der Seenotretter. Währenddessen informierte ein italienischer Hubschrauber die libysche Küstenwache, die sich mit ihrem Schiff auf den Weg zu den Geflüchteten machte. "Es begann ein Wettrennen zwischen der Sea Watch und der Küstenwache", erzählte Simon.

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Er berichtete von Menschen, die aus den Booten sprangen, um die Sea Watch zu erreichen. "Manche von diesen Geflüchteten haben das schon achtmal erlebt. Sie fliehen aus dem libyschen Gefängnis oder kaufen sich frei, fahren auf das Mittelmeer und werden von der Küstenwache eingesammelt und wieder in ein Gefängnis geschickt. Es ist ein Kreislauf." Die Sea-Watch-Crew brachte die Menschen auf ihr Schiff, woraufhin sich Freudenszenen abspielten, so Simon. "Alle sehen die ankommenden Flüchtlinge, niemand sieht die ertrunkenen Menschen und den Weg, den Geflüchtete hinter sich haben", berichtete der Seenotretter.

Prozesse wegen Beihilfe zur illegalen Einreise drohen

Hendrik Simon drohen nach italienischem Recht bis zu 20 Jahre Gefängnis wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Seine Anwälte sagen, dass der Prozess in den nächsten Monaten stattfinden wird.

Auch Freundinnen der Campaktivistin Kim Pöckler sind davon betroffen. Pöckler ist vor Ort, wenn die Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos ankommen und nimmt sie in einem Camp auf. "In Europa anzukommen, bedeutet aber nicht, an einen sicheren Ort zu kommen", betonte sie. 9000 Menschen leben in dem Camp auf Lesbos unter nicht menschenwürdigen Bedingungen, erzählte die Aktivistin. Es sind keine Krankenhäuser in der Nähe und Menschen sterben, deren Tod hätte vermieden werden können, berichtete Pöckler: "Menschen zu retten muss normal sein!"

"Druck auf die Politik muss erhöht werden"

Mona Linge ist eine Aktivistin der Seebrücke und betonte, dass noch viel bei der Aufnahme von Flüchtlingen verbessert werden muss. In einem offenen Brief an Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) forderte die Seebrücke, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen und ihnen eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen. "Bremen ist kein Musterschüler", sagte Linge. Weiter erzählte sie, dass die Seebrücke fordert, Seenotrettung zu entkriminalisieren und Bremen solidarischer zu gestalten. Der Druck auf die Politik müsse erhöht und die Menschen rund um das Thema Flucht und Ankunft aufgeklärt werden. Linge: "Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir nicht aktiv sein müssten, aber solange es nötig ist, werden wir es sein."

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