Mit einem Statement in eigener Sache läutete Felix von Eckardt am 14. Februar 1952 seine erste Bundespressekonferenz ein. „Er bemerkte zunächst lächelnd, daß er seine Tätigkeit leider mit einem Dementi beginnen müsse“, so der WESER-KURIER über das Debüt des damals 48-Jährigen auf dem Bonner Parkett. Anders als anfangs vermeldet, habe der Bundeskanzler ihn nicht nur kommissarisch, sondern endgültig mit dem Amt des Pressechefs betraut. Ein leicht selbstironischer, aber doch souveräner Auftakt – das passte zur charmanten Art Eckardts, der selbst viele Jahre als Journalist gearbeitet hatte. Zuletzt als Mitherausgeber und zweiter Chefredakteur des WESER-KURIER neben Hans Hackmack.
Und doch liegt ein Schatten auf der Vita Eckardts. Seine Arbeit als Drehbuchautor im Dritten Reich nährte schon bei der amerikanischen Militärregierung den Verdacht, er habe sich der Nazi-Propaganda verschrieben.
Als gnadenlosen Opportunisten stellte ihn Günther Schwarberg – ein Stern-Journalist und früherer Volontär des WESER-KURIER – dar. „Felix von Eckhardt ist immer auf der Seite der Gewinner“, schreibt Schwarberg in seinen Erinnerungen. „Was er schreibt, gefällt dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.“

Schwarbergs vernichtendes Urteil trübt das Bild des einstigen Regierungssprechers. Im Wikipedia-Artikel über Eckardt nimmt es viel Raum ein. Das Image vom weltläufigen Gentleman-Journalisten mit dem extravaganten Kleidungsstil hat seither einen hässlichen Kratzer. Der Mann, der als enger Vertrauter Kanzler Konrad Adenauers (CDU) galt und es als „politischer Star“ 1957 sogar auf die Titelseite des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ schaffte – nichts weiter als ein adeliger Faulpelz, wie Schwarberg behauptet?
Seine Kritiker wittern auch deshalb eine allzu große Nähe zum NS-Regime, weil Eckardt bis Kriegsende immer wieder als unabkömmlich vom Kriegsdienst zurückgestellt wurde. Dadurch steht der Verdacht im Raum, er habe sich höchster Protektion erfreut. Kein Geringerer als Goebbels soll seine schützende Hand über ihn gehalten haben.
Tatsächlich hatte Eckardt kein Problem damit, die NS-Propagandamaschinerie immer wieder mit neuen Filmvorlagen für meist harmlose Unterhaltungs- und Kriminalfilme zu füttern. Doch es gab auch Ausnahmen. Das gilt in besonderem Maße für den Jugendfilm „Kopf hoch, Johannes“ (1941) und das Bismarck-Drama „Die Entlassung“ (1942). Als Eckardt sich unmittelbar nach Kriegsende um eine Lizenz für die Herausgabe des WESER-KURIER bewarb, stieß sich die US-Militärregierung vor allem am Bismarck-Streifen. Doch ist Eckardt damit als Nazi überführt? Zu einem völlig anderen Ergebnis als Schwarberg kommt Stefan Brüggemann, Geschäftsführer der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). Brüggemann hat 2015 eine Doktorarbeit über „Felix von Eckardt als politischer Kommunikator“ vorgelegt. Zwar räumt Brüggemann ein, Eckardt habe sich gern der Wortakrobatik bedient, wenn es um seine Zeit kurz vor und im Nationalsozialismus ging. Dennoch mahnt er eine differenzierte Betrachtung an. Für Eckardt spricht vor allem, dass er niemals Mitglied der NSDAP war – es auch nicht wurde, als die Aufnahmesperre ab 1937 sukzessive gelockert wurde. Auch in seiner Herkunft aus dem liberal-konservativen Bürgermilieu sieht Brüggemann ein Indiz für eine eher distanzierte Haltung zum Regime. Wobei ihm nicht verborgen bleibt, dass Eckardt gern passende Ereignisse aufbauscht, um daraus einen Beleg der politischen Inkompatibilität mit dem Regime abzuleiten. In seinen 1967 publizierten Memoiren „Ein unordentliches Leben“ treibt er dieses Spiel bis zur Perfektion. Der Journalismus wurde dem 1903 in Berlin geborenen und in Hamburg aufgewachsenen Eckardt geradezu in die Wiege gelegt. Schon die beiden Großväter waren bekannte Journalisten, sein Vater leitete als Chefredakteur das renommierte „Hamburger Fremdenblatt“. In die Fußstapfen der Vorfahren trat Eckardt aber erst, als es nach dem Ersten Weltkrieg für den angepeilten Soldatenberuf keine Perspektive mehr gab. Nachdem er eine Banklehre absolviert hatte, durchlief er verschiedene Lokalredaktionen, danach arbeitete er für die neue Ullstein-Zeitschrift „Tempo“ in Berlin.
Nach Belgien verschlug ihn sein nächster Karriereschritt. Bis 1932 arbeitete er für Wolffs Telegraphisches Bureau in Brüssel als Presseattaché in der deutschen Gesandtschaft. Die halbstaatliche Presseagentur fungierte de facto als Sprachrohr der Reichsregierung. Erstmals lernte Eckardt die hohe Kunst politisch-diplomatischer Kommunikation kennen.
Weitaus geringeren Gefallen fand er an der Filmbranche. Laut Brüggemann war es weniger eine Leidenschaft als die Chance, in einer prekären Lage etwas Geld zu verdienen. Als Drehbuchautor machte Eckardt ordentlich Kasse, er konnte sich im Mecklenburgischen sogar einen Bauernhof mit Gestüt leisten. Gegen Kriegsende floh er 1945 in den Westen, es verschlug ihn in die Nähe von Bremen. Nach Kriegsende suchte die US-Militärregierung in der Stadt nach unbelasteten Lizenzträgern für eine neue Zeitung, Eckardt bewarb sich, hatte aber wegen seiner Filmvergangenheit das Nachsehen gegenüber dem SPD-Mann Hans Hackmack.
Gleichwohl gab es keine Bedenken, ihn als Leiter des politischen Ressorts zu akzeptieren. Mit Beginn des Kalten Kriegs schwanden alle Vorbehalte. 1947 konnte Eckardt sogar Anteile am WESER-KURIER erwerben, damit bildete er eine Doppelspitze mit Hackmack als Herausgeber und Chefredakteur.
Eckardts Weggang aus Bremen kam nicht auf sein eigenes Betreiben zustande, ein weiterer Irrtum Schwarbergs. Vielmehr hatte der damalige Bremer CDU-Fraktionschef Ernst Müller-Hermann seine Finger im Spiel, der seit Januar 1952 als Nachrücker im Bundestag saß. Er schlug Eckardt als neuen Sprecher der Bundesregierung vor. Seit seiner Amtsübernahme im September 1949 hatte Adenauer vier Pressesprecher verschlissen, es bedurfte dringend einer gewissen Kontinuität.
Der Kanzler fand Gefallen an dem selbstbewussten und eloquenten Eckardt, die beiden einigten sich schnell. Anders als Schwarberg angibt und auch in der Hackmack-Studie von Renate Meyer-Braun und Klaus Auf dem Garten zu lesen ist, war Eckardt damals aber noch kein CDU-Mitglied. Gerade dieser Umstand sorgte in der Partei wiederholt für einiges Missvergnügen, man wollte einen Parteimann als Pressesprecher. Doch Adenauer ließ sich nicht beirren, er schätzte Eckardt als politischen Ratgeber. Der CDU trat Eckardt erst einige Jahre nach seinem Gang nach Bonn bei.
Mit einer kurzen Unterbrechung 1955/56 bekleidete Eckardt bis 1962 das Amt des Regierungssprechers, von 1965 bis 1972 gehörte er als CDU-Abgeordneter für Wilhelmshaven dem Bundestag an.
Felix von Eckardt starb am 11. Mai 1979 im Alter von 75 Jahren auf der italienischen Insel Capri an einem Herzinfarkt.
Weitere Informationen
Dieser Artikel ist Teil der Sonderveröffentlichung zum 75. Geburtstag des WESER-KURIER. Am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe unserer Zeitung. Anlässlich des Jubiläums blicken wir zurück auf die vergangenen Jahrzehnte: Erinnern uns an die Anfänge unserer Zeitung und auch an die ein oder andere Panne. Und wir schauen nach vorn: Wie werden Künstliche Intelligenz und der Einsatz von Algorithmen den Journalismus verändern? Natürlich denken wir auch an Sie, unsere Leser und Nutzer. Wer folgt unseren Social-Media-Kanälen, wer liest unsere Zeitung? Was ist aus den Menschen geworden, über die wir in den vergangenen Jahren berichtet haben? Und wie läuft er eigentlich ab, so ein Tag beim WESER-KURIER?
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