Bremen-Nord. Auf der Weser hat es gestern das zweite Fährunglück innerhalb von zwei Monaten gegeben, und wieder scheint zu hohes Tempo eines Schiffes im Längsverkehr die Ursache gewesen zu sein. Bei dem Vorfall wurde die "Berne-Farge" am Berner Fähranleger stark beschädigt. Ein 43-jähriger Fahrgast zog sich eine Verletzung am Bein zu.
Das Unglück ereignete sich gegen 12.25 Uhr. Schiffsführer René Blumentritt war gerade im Begriff abzulegen, als eine Luxusyacht vorbeirauschte und eine zwei Meter hohe Welle gegen die Fähre warf. "Ich bin schnell in Deckung gegangen, da schlug die Woge auch schon über die Reling", schilderte Matrose Johannes Krzenzissa am Nachmittag den bedrohlichen Moment.
Das Deck wurde überspült, das Schiff gegen die Spundwand geschleudert. "Ein Lkw an Bord wäre beinahe umgestürzt", so Krzenzissa. Ein Radler konnte sein Gleichgewicht nicht halten und stürzte gegen das Ruderhaus. Der Mann wurde mit einer Beinverletzung zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gebracht.
Dass sonst niemand zu schaden kam, ist nach Einschätzung des Schiffsführers günstigen Umständen zu danken. Mittags ist auf der Fähre wenig los. "Wäre das nachmittags passiert, wenn bei Schichtende viele Krause-Arbeiter an Deck stehen, hätte das übel ausgehen können", sagt René Blumentritt.
Der Fähre sieht man als Laie bis auf ein paar Kratzer am Ruderhaus wenig an. Doch das täuscht. Ein amtlich bestellter Gutachter stellte am Nachmittag fest, dass sich die Decksaufbauten leicht verschoben haben. Ob die "Berne-Farge" auch unter der Wasserlinie beschädigt ist, soll in der kommenden Woche festgestellt werden, vermutlich auf der Fassmer-Werft.
Yacht hatte Lotsen an Bord
Die Wasserschutzpolizei hat unterdessen den Auslöser des Unglücks ermittelt. Er liegt bei der Lürssen-Werft, es handelt sich um die Luxusyacht "Carinthia VII". Die Polizei geht nach Angaben eines Sprechers davon aus, dass die stark motorisierte Yacht "mit überhöhter Geschwindigkeit" unterwegs war. Von der Lürssen-Werft war zu erfahren, dass das Schiff mit eigener Besatzung fuhr und einen Lotsen an Bord hatte.
Andreas Bettray, Geschäftsführer der Fähren Bremen-Stedingen (FBS), erinnert das fatal an einen Vorfall, der erst acht Wochen zurückliegt. In den späten Abendstunden des 5. August war ein französischer Frachter zu schnell durchs Revier gebrackert. Der Wellenschlag war stark genug, um die Fähre "Lemwerder II" vom Vegesacker Anleger loszureißen. Sie driftete zur Hafeneinfahrt und stieß mit einem Kutter zusammen. Auch der französische Frachter hatte einen Lotsen an Bord. Doch der sah seine Aufgabe offenbar nicht darin, die Geschwindigkeit dem Revier anzupassen.
Ein festgelegtes Tempolimit gibt es auf der Weser nicht. Die Kapitäne sind aber an die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung gebunden, in der es ganz allgemein heißt: "Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet ist." Gerade für den Abschnitt zwischen Farge und Vegesack bedeutet das: Tempo drosseln.
Auf wenigen Kilometern gibt es dort viele Stellen, wo Schaden angerichtet werden kann: die Binnenschiff-Anleger des Kohlekraftwerks, die Werften an beiden Weserufern, die Einfahrt zum Vegesacker Hafen. "Nicht umsonst gibt die Revierzentrale Bremen-Weser-Traffic stündlich durch, das hier vorsichtig gefahren werden muss", sagt Fährkapitän Blumentritt. Wie es scheint, wird dieser Appell nicht von jedem Schiffsführer beherzigt.
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