Haftstrafe für Motorradraser Fahrlässige Tötung, nicht Mord

Nicht Mord, nicht Totschlag, sondern fahrlässige Tötung - das Landgericht Bremen hat den angeklagte Motorradfahrer Alperen T. zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.
31.01.2017, 09:07 Uhr
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Fahrlässige Tötung, nicht Mord
Von Ralf Michel

Zwei Jahre und neun Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung lautete am Dienstagnachmittag das Urteil gegen den 24-jährigen Alperen T., der im Juni 2016 mit seinem Motorrad in Walle mit überhöhter Geschwindigkeit einen Rentner totgefahren hat.

Das ist weit weniger, als bei der ursprünglich im Raum stehenden Mordanklage zu erwarten war. Und auch immer noch deutlich weniger, als die sieben Jahre und zwei Monate wegen Totschlags, die der Staatsanwalt am Vormittag gefordert hatte. Aber es ist mehr als die Bewährungsstrafe, auf die seine Verteidiger plädiert hatten. Nur Strafen unter zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden. Darauf ließen sich die Richter nicht ein – „Alpi“ muss ins Gefängnis.

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Nachdem der Mordvorwurf bereits mit dem Plädoyer des Staatsanwaltes am Vormittag vom Tisch war, blieb die entscheidende Frage für das Gericht, ob der Angeklagte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Dafür von Bedeutung waren auch die Videos, die der Angeklagte vor dem tödlichen Unfall unter dem Titel „Alpi fährt“ auf einem eigenen Youtube-Kanal zeigte. Darauf war zu sehen, wie er mit überhöhter Geschwindigkeit durch Bremens Innenstadt fuhr und sich Verfolgungsjagden mit anderen lieferte. Angesichts dieser Videos habe es durchaus Anhaltspunkte dafür gegeben, sein Handeln als vorsätzlich zu werten, betonte der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert. Solche Fahrten seien unverantwortlich und hochgefährlich. „Diese PS-Protzerei muss ein Ende haben.“

Doch allein durch das Aufsummieren von Regelverstößen, wie sie die Videos belegten, werde nicht automatisch irgendwann die Schwelle zum Tötungsvorsatz überschritten. Schnelles Fahren sei zwar gefährlich, drücke aber keine direkte Gewalt gegen andere Personen aus. Das gesamte Verhalten des Angeklagten deute eher auf eine gewisse Unreife und – trotz seiner 24 Jahre – auf jugendlichen Leichtsinn hin, als darauf, dass ihm das Leben anderer Menschen egal sei, erklärte Seifert.

Fest stehe allerdings, dass der Angeklagte am Abend des 17. Juni 2016 innerorts zu schnell unterwegs war. Mindestens 97 km/h kurz vor dem Unfall. Andererseits treffe auch das Opfer eine gewisse Mitschuld. Der Rentner war bei Rot über die Ampel gegangen und obendrein alkoholisiert.

Die Unfallflucht, die die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorgeworfen hatte – er soll bereits kurz vor der Kollision mit dem Rentner beim Überholen eines Pkw den Blinker dieses Fahrzeuges abgefahren haben –, sah das Gericht als nicht erwiesen an. Vielmehr bezeichnete der Vorsitzende Richter die Zeugenaussage des Pkw-Fahrers als „sehr dubios“. Nicht ausgeschlossen sogar, dass der Mann diesen Unfall komplett erfunden habe.

Ein gutes Zeugnis stellte die Richter dagegen dem Verhalten des Angeklagten nach dem Unfall aus. Er sei geständig gewesen, habe nichts beschönigt und tiefe Reue gezeigt. Der 24-Jährige stehe zu seiner Schuld und versuche, sich mit der Tat auseinanderzusetzen. Unter dem Strich blieb damit für das Gericht eine fahrlässige Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Der Staatsanwalt war zuvor in seinem Plädoyer bereits von der ursprünglichen Mordanklage abgerückt. Die dem Angeklagten zur Last gelegten Mordmerkmale „Verdeckungsabsicht“ und „niedere Beweggründe“ könnten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Mit Fahrlässigkeit wollte der Staatsanwalt den 24-Jährigen allerdings nicht davonkommen lassen. Er forderte sieben Jahre und zwei Monate Haft wegen Totschlags. Der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt und mit seiner riskanten Fahrweise den Tod anderer billigend in Kauf genommen.

Dem 24-Jährigen sei sich der tödlichen Gefahr, die von seinen Hochgeschwindigkeitsfahrten ausging, bewusst gewesen, argumentierte der Staatsanwalt und zog als Beleg dafür die Youtube-Videos heran. Immer wieder sei es dabei zu lebensgefährlichen Situationen gekommen. Wer dessen ungeachtet weiterhin so grob rücksichtslos fahre und eine so oft massive Verkehrsverstöße begehe, überlasse es letztlich dem Zufall, ob etwas passiere oder nicht und nehme damit den Tod anderer billigend in Kauf. „Er wusste um das konkrete Tötungspotenzial seines Motorrades.“

Die Verteidigung bezeichnete dies als eine falsche und rechtlich unzutreffende Konstruktion. „Da passen juristische Dinge einfach nicht zusammen“, erklärte Armin von Döllen, einer der beiden Anwälte des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft versuche, einen Generalvorsatz zu unterstellen, dabei laute die banale Antwort auf die Frage, warum der 24-Jährige so schnell und riskant gefahren sei: „Weil es ihm Spaß gemacht hat.“ Und nicht, weil er andere gefährden wollte. „Das ist eine vollständig absurde Vorstellung.“

Der Angeklagte sei weder ein „Adrenalinjunkie“ noch das „empathielose Monster“, als das er vielleicht in seinen Videos erscheine. Aber um „irgendwelche Videos“, die mit dem konkreten Vorfall nichts zu tun hätten, gehe es ohnehin nicht in diesem Prozess, sondern allein um das Mitverschulden des 24-Jährigen an dem tödlichen Unfall. Denn „die eigentliche Unfallursache war das grob verkehrswidrige Verhalten des Fußgängers“.

Der zweite Verteidiger, Bernhard Docke, kritisierte den „von Anfang an einseitig und überzogen geführten“ Prozess und sprach von einer „medial gefälligen politischen Anklage“. Wie sein Kollege forderte er eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe, das heißt unter zwei Jahre Haft. „Alles andere wäre eine Konzession an eine von Anfang an übertriebene Anklage.“

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