Viele Menschen aus dem Ausland kommen mit Austauschorganisationen für einen Sprachaufenthalt nach Bremen. Sie lernen dabei nicht nur während des Unterrichts, sondern auch im Zusammenleben mit Gastfamilien. Wer Schüler aufnehmen will, muss einige Anforderungen erfüllen.
Lautes Stimmen- und Sprachengewirr umgibt Geschäftsführer Werner Riebe, wenn er bei der Arbeit eine kurze Kaffeepause einlegt. Spanisch, Türkisch, Japanisch, Arabisch, Englisch, Deutsch – die ganze Welt tummelt sich im CASA, einer internationalen Sprachschule in Bremen, die sich auf Deutsch als Fremdsprache spezialisiert hat. „Ihr habt zwar Pause, aber bleibt doch bei Deutsch“, ermuntert Werner Riebe die Schüler im Pausenraum.
Vor 31 Jahren gründete der inzwischen 60-jährige das CASA im Zentrum von Bremen. Eigentlich ist Riebe ausgebildeter Gymnasiallehrer. Nach seinem Studium wollte er dann aber doch lieber etwas Eigenes aufziehen, erzählt er. Mittlerweile betreut der Geschäftsführer gemeinsam mit 50 Mitarbeitern rund 2000 Deutschlernende im Jahr. Das CASA richte sich hauptsächlich an extra für den Spracherwerb angereiste Menschen – vorwiegend aus der gehobenen Mittelschicht, erklärt Riebe. Ein vierwöchiger Intensivkurs mit 20 Unterrichtsstunden pro Woche koste rund 400 Euro – eine stolze Summe, die sich nicht jeder leisten kann. Zusätzlich fallen Kosten für Kost und Logis an.
So wie die Herkunft ist auch das Alter der Schüler sehr unterschiedlich: Die einen sind erst 14 Jahre alt und besuchen noch die Schule, andere sind erwachsen, arbeiten als Ärzte in ihrem Heimatland und haben bereits eine Familie. „Die Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen hierher“, sagt Riebe. Der eine wolle seine Sprachkenntnisse ausbauen, um dauerhaft in Deutschland als Ingenieur zu arbeiten, der andere brauche die Kenntnisse für das Unterrichtsfach in der Schule. Dementsprechend variieren auch die Aufenthaltszeiträume – von einer Woche bis hin zu einem ganzen Jahr.
Um neben dem Unterricht noch mehr Sprachpraxis und einen Einblick in das alltägliche Leben in Bremen zu bekommen, entscheiden sich viele der Teilnehmer für eine Unterbringung in einer Gastfamilie. Vor allem die 13 bis 20-jährigen seien es, die sich für diese Option entschieden, sagt Riebe. 131 Familien aus Bremen nähmen regelmäßig Schüler von CASA bei sich zu Hause auf.
Bevor die Familien aber einen Austauschschüler vermittelt bekommen, besucht sie ein Mitarbeiter der Sprachschule. „Nicht alle Familien sind geeignet“, erklärt Riebe. Verschiedene Punkte würden bei der Auswahl berücksichtigt: So sollte die Unterkunft von der Sprachschule in Nähe des Hauptbahnhofs aus in einer halben Stunde zu erreichen sein. Außerdem müsse den Schülern ein möbliertes Zimmer in einem sauberen Haus und Verpflegung angeboten werden können.
Dafür bekommen die Familien eine Aufwandsentschädigung von etwas mehr als 100 Euro pro Woche. „Eine reine Vermietung wollen wir allerdings nicht“, sagt der Geschäftsführer. „Wir setzen Offenheit voraus. Es muss Interesse am Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen vorhanden sein.“ Normalerweise werde der Schüler in das Familienleben integriert, beispielsweise durch ein gemeinsames Abendessen. Natürlich komme es im Zusammenleben auch ab und an zu Missverständnissen. Walter Riebe sieht das jedoch keinesfalls negativ, denn die gemeinsam bewältigten Probleme bereicherten den Lebensalltag. „Im Zusammenleben lernen die Familienmitglieder, miteinander zu reden und aufeinander zuzugehen.“
Erwartungshaltung ist enorm
Grundsätzlich gelte für die jungen Heranwachsenden: Die Gastfamilie bestimmt die Regeln. Erst einmal sei es bisher vorgekommen, dass zwei Mädchen zurück zu ihren richtigen Eltern nach Hause geschickt wurden, weil sie nachts zu spät nach Hause gekommen waren.
Die Gastfamilie selbst habe das gar nicht mal so schlimm gefunden, allerdings entstand Druck von den Eltern der Mädchen in der Heimat, so Riebe. „Die Erwartungshaltung der Eltern an den Lernerfolg ihrer Kinder ist enorm.“ In solchen Fällen vermitteln die Mitarbeiter des CASA zwischen allen drei Parteien: Schüler, Eltern aus dem Ausland und Gastfamilie in Bremen. Kann ein Konflikt überhaupt nicht gelöst werden, sei auch ein Familienwechsel eine Option, sagt Riebe.
Allzu viel Zeit verbrächten Gast und Familie jedoch ohnehin nicht miteinander. Neben dem Sprachkurs bietet das CASA mehrmals die Woche ein Freizeitprogramm an. Die Teilnehmer machen dann beispielsweise unter der Woche eine Tour mit dem Ruderboot durch den Bürgerpark oder am Wochenende einen Ausflug – nach Hamburg genauso wie nach Norderney.
Die Welt zu Gast bei Freunden
Wie Gasteltern und -schüler miteinander umgehen / Toleranz und Verständnis sind Voraussetzung

Gasteltern Jule und Jan Meier mit Tochter Marita und Austauschschüler Alp Akmansayar.
Im Haus von Jan und Marita Meier im Geteviertel geht es seit Mai international zu. Gäste aus Dänemark und Mexiko haben sie und ihre Töchter, 14 und 19 Jahre alt, bereits beherbergt. Derzeit wohnen Alp, 16, aus der Türkei und Guilherme, 14, aus Brasilien für einen Monat bei ihnen.
Eine Bereicherung sei das Gastfamilienleben, sagt Jan Meier. Bisher seien sie selbst nicht viel gereist. Da Gastschüler Alp beim gemeinsamen Essen viel über sein Heimatland erzählt, können sich die Meiers ein lebendiges Bild von der Türkei machen, sagt Marita Meier.
Andersherum bekommen die Gastschüler eine Menge vom Leben in Bremen mit. Alp wundert sich etwa darüber, dass in Deutschland an jeder Ecke Bier getrunken werde. Das Verhältnis ist herzlich: „Die mexikanischen Gastschüler haben mich sogar „Mum“ genannt“, erzählt Marita Meier. Bei ihrer Abreise hätten sie einen Werder-Schal getragen und mehrere Packungen deutscher Kekse im Gepäck verstaut. Auch die Töchter profitierten vom Austausch. Beim Grillen werde neben Deutsch auch gerne Englisch oder Spanisch gesprochen. Danach würden die Jugendlichen dann auch mal gemeinsam losziehen, in die Innenstadt zum Feiern, sagt Marita Meier.
Das Gastfamilienleben könne auch anstrengend sein. Jeden Neuankömmling müsse man mit Haushalt und Stadtviertel vertraut machen. Wo steht der Kaffee, wo ist der nächste Supermarkt? Auch die Toleranzgrenze werde manchmal strapaziert: Krach beim nächtlichen Nachhausekommen, Sprachbarrieren und die Frage: „Wie weit muss ich mich um das Wohl des Gastschülers kümmern?“ gehören zum Miteinander. Inzwischen haben die Meiers gelernt, nicht zu viel zu erwarten. „Ich biete den Schülern immer ein Frühstück an. Aber wenn sie länger schlafen wollen, ist das okay“, sagt Marita Meier.
Oft sind die Gäste mit Sprachkurs und Kulturprogramm von der Sprachschule verplant. „Eigentlich wollten wir mal einen Ausflug mit der Familie machen, aber bisher ist es beim gemeinsamen Grillen geblieben“, erzählt der Gastvater. Die Aufnahme von Schülern für drei bis vier Wochen finden die Meiers gut. Durch die schnellen Wechsel werde es nicht langweilig.
Hella Rose aus Habenhausen ist schon lange im Gastfamilienprogramm vom CASA involviert. Seit neun Jahren nimmt sie Schüler auf. Aus Südamerika, Asien oder Europa. Die 69-jährige wohnt am Werdersee und hat Platz für drei Gäste zur Zeit. „Bei uns ist immer was los, das gefällt mir“, sagt sie. Die Schüler würden wie Familienmitglieder in den Alltag integriert. „Einmal hatte ich einen 14-jährigen Japaner hier, der sich so wohl hier gefühlt hat, dass er gar nicht mehr zurück nach Tokio wollte“, sagt die Rentnerin. Seinen ursprünglich zweimonatigen Sprachaufenthalt habe er auf ein ganzes Jahr verlängert. Auf die Idee gebracht hatte sie ihr Sohn, der gegenüber wohnt. Er war in jungen Jahren zum Schüleraustausch in den USA und nimmt seit 25 Jahren Gastschüler auf. Nach Hella Roses Ansicht müssen Gastfamilien drei Voraussetzungen haben: Einen geregelten Tagesablauf, genug Zeit und Verständnis.