Unbekannte haben in der Nacht zu Freitag eine Fassade der Niederlassung von Mercedes-Benz in der Vahr mit roter Farbe beschmiert und Farbbeutel gegen die Wand geworfen. Die Botschaft, die die Täter hinterließen, drückt den Protest gegen mögliche staatliche Hilfen für die durch die Corona-Pandemie unter Druck geratene Autoindustrie aus. Eine Kaufprämie für Neuwagen wird derzeit im Bund erwogen, es gibt aber auch, zuletzt durch den Rat der Wirtschaftsweisen, Kritik an derartigen Maßnahmen. Nach dem Farbanschlag in Bremen ermittelt die Polizei nun wegen Sachbeschädigung. Neben der Fassade haben auch zwei umstehende Autos Farbspritzer abbekommen. Wie Ankica Skoric, Sprecherin für den Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland, mitteilt, konnte sämtliche Farbe am Freitag entfernt werden.
Der Staatsschutz prüfe einen politischen Hintergrund, erklärte Polizeisprecherin Franka Haedke. Dass die Tat politisch motiviert gewesen sein könnte, legt auch ein Bekennerschreiben nahe. In einer E-Mail, die von einer Adresse des alternativen Providers „Riseup.net“ gesendet wurde, und die dem WESER-KURIER vorliegt, gibt eine nach eigenen Worten „kleine autonome Klimagerechtigkeitsgruppe“ die Tat zu. „Wir haben Farbflecken und ein Graffiti hinterlassen, um dem breiten Protest gegen die angedachte staatliche Unterstützung für die Automobilindustrie Ausdruck zu verleihen“, heißt es in der E-Mail.
Aktivisten kündigen weitere Taten an
Die mutmaßlich aus dem linksextremistischen Milieu stammende Gruppe beklagt „leere Versprechungen seitens politischer Entscheidungsträger“, „bedeutungslose klimapolitische Witzmaßnahmen“ und prangert an, dass Autokonzerne wie Mercedes, BMW oder VW ihren Aktionären Dividenden zahlten, gleichzeitig aber über staatliche Hilfen für sie diskutiert werde, während Beschäftigte in anderen Branchen in Kurzarbeit geschickt oder gleich ganz entlassen würden. Gleichzeitig kündigen die Aktivisten weitere Taten an. „Wir bleiben nicht länger untätig“, schreiben sie, „wenn Flug- und Automobilindustrie Rettungsgelder einheimsen und für Pflegekräfte, ÖPNV-Angestellte (...) nicht mehr als ein müdes abendliches Balkon-Geklatsche abfällt“. Als mögliche Ziele nennen sie konkret die Autohäuser.
Laut der Mercedes-Sprecherin sind bislang keine ähnlichen Angriffe auf Autohäuser des Konzerns bekannt. Zu Schutzmaßnahmen könne man sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern – das sagt auch die Polizei. Für das Innenressort von Senator Ulrich Mäurer (SPD) teilt Sprecherin Karen Stroink mit, man nehme politischen Extremismus, „egal ob links, rechts oder religiös motiviert“, sehr ernst. Bereits im vergangenen Jahr war nach einer Serie von Brandanschlägen aus dem linkspolitischen Spektrum auf Immobilienfirmen und Polizeireviere die Ermittlungsgruppe „Feuer“ eingerichtet worden, die unter anderem mit dem Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt zusammenarbeitet. Zuletzt war Ende April der Verwaltungssitz der Awo mit Pflastersteinen und Farbe mutmaßlich von Autonomen attackiert worden, Anfang Mai das Büro der FDP-Bürgerschaftsfraktion. „Der neue Vorfall, der mutmaßlich einen linksextremistischen Hintergrund hat, zeigt uns einmal mehr, dass die Einrichtung der Ermittlungsgruppe folgerichtig war“, sagte Stroink.
Politisch sind unter anderem die Bremer Grünen gegen eine Kaufprämie für Neuwagen. Nichtsdestotrotz dürfe Sachbeschädigung kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, sagt Fraktionschef Björn Fecker. Ähnlich äußert sich Nelson Janßen (Linke). „Ein Problem zu benennen ist richtig, aber die Art und Weise ist komplett falsch.“ Den öfter geäußerten Vorwurf, die Bremer Polizei gehe gegen linksextreme Gewalt weniger hart vor als gegen rechte, lässt Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD, nicht gelten. Lenkeit: „Senator Ulrich Mäurer steht sicher nicht im Verdacht, in diesen Gruppen als Genosse des Monats ausgezeichnet zu werden.“ Marco Lübke (CDU) kritisiert, in einigen Lagern werde zwischen „guter“ und „schlechter“ Gewalt unterschieden. „Gemeinsame Basis muss sein, dass wir uns von solchen Taten eindeutig distanzieren“, sagt er. Birgit Bergmann (FDP) fordert, Polizei und Staatsschutz sollten den Blick statt auf Einzeltäter „auf die Nährböden, aus denen diese Handlungsweisen entspringen“, richten.
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