Saisonstart auf der Bürgerweide: am Sonntag findet der erste Bürgerweiden-Flohmarkt in diesem Jahr statt und wer will, kann an diesem Wochenende sogar jeden Tag auf den Flohmarkt gehen.
Alte Plünnen, Bücherkisten zum Kramen, Omas geblümte Kleider und eigenwillige Ölbilder: Wenn Bremens Sonntags-Flohmarkt seinen Winterstandort im Hansa-Carré verlässt und die Händler ihre Stände auf der Bürgerweide aufbauen, ist das für viele in der Stadt eine Art inoffizieller Frühlingsstart. Dann regt sich die Krämerseele in vielen Bremern, dann wird der Suchtrieb der Jäger und Sammler aktiviert.
Am Sonntag findet der erste Bürgerweiden-Flohmarkt in diesem Jahr statt, und mehr noch: Wer will, kann an diesem Wochenende sogar jeden Tag auf den Flohmarkt gehen. Am Sonnabend an die Schlachte, am Sonntag zur Bürgerweide und am Montag zum Flohmarkt beim EDU-Einkaufspark Duckwitz in der Neustadt oder zum Familienflohmarkt am Arsterdamm.
Bis zu 25.000 Besucher
Klar ist: Die Bürgerweide ist besonders, aber in Bremen gibt es weitaus mehr Flohmärkte als den Markt auf der Bürgerweide, der allerdings den Veranstaltern zufolge bei gutem Wetter zwischen 20.000 und 25.000 Menschen anlockt. Es gibt große Märkte zum Beispiel in Huchting, Gröpelingen, Arsten oder in der Vahr, kleine Straßenflohmärkte im Sommer und die neueren Flohmärkte, die im vergangenen Jahr am Ende der Wilhelm-Kaisen-Brücke oder in den Neustadt-Wallanlagen entstanden.
Einer, der die großen Bremer Flohmärkte wie seine Westentasche kennt, ist Bernhard Tönjes. Seit den 70er-Jahren hat ihn die Leidenschaft des Kaufens und Verkaufens gepackt. Er begann als Hobbyhändler, der seinen Dachboden entrümpelte. Später wurde der Flohmarkt-Handel für ihn zum Beruf.

Seit den 1970-er Jahren ist Bernhard Tönjes auf Flohmärkten im Norden unterwegs.
„Ich habe einen Plattenladen in Cuxhafen aufgekauft, da hatte ich plötzlich 2500 LPs und 3500 Singles – erstmal habe ich selber geguckt, was ich für meine Sammlung gebrauchen kann, und den Rest habe ich auf dem Flohmarkt verkauft.“ Später verkaufte er Möbel, Ölbilder und alles, was ihm sonst noch so in die Finger kam.
Händler und Sammler
Dabei war der gelernte Einzelhandelskaufmann immer beides: Händler und Sammler zugleich, immer mit einem Auge für Schnäppchen. Und er liebt das Tauschen: „Einmal habe ich eine Halskette aus 750er Gold gekauft und dafür 150 Mark und eine kaputte Kaminuhr gegeben – es war ein guter Tausch für mich, aber der andere war eben heiß auf die Uhr, die er selbst reparieren wollte.“
Heute verkauft Tönjes nicht mehr, aber auf den Märkten ist er noch immer unterwegs. „Ich klappere fünf oder sechs Märkte an einem Tag ab“, erzählt er. Vor Ort verkauft er spezielle Magazine und kleine Hefte für Trödler, die alle Termine für Flohmärkte im Norden akribisch auflisten.
Beim Kaufen und Verkaufen macht ihm keiner etwas vor: Als Händler mit den Passanten über die Waren ins Gespräch zu kommen, das funktioniert nicht, sagt Tönjes. „Das Erste ist das Zwischenmenschliche, Augenkontakt, lächeln, positive Nähe herstellen. Das Wichtige ist: Ich hab die Leute im Griff und bringe sie zum Frohlocken.“
„Ihr Hund sieht aber gut aus heute!“
Charmant, frech, aber mit guten Manieren, so beschreibt er seinen Stil. „Ihr Hund sieht aber gut aus heute!“, schnackt er Passanten an. „Wenn der Hund klein ist, frage ich: ,Muss ich mich vor dem in acht nehmen? Halten Sie bloß Ihren Tyrannosaurier fest!‘ und weiche einen Schritt zurück – und schon lächelt der Nachbar, und die Leute wollen was abhaben von deiner guten Laune.“
Verkaufen auf dem Flohmarkt ist kein Job für introvertierte Gemüter, sagt Tönjes: „So eine müffelige Tante, das geht gar nicht, da traut sich keiner, dich anzusprechen.“ Die Leute ranholen, im Zweifel mit einem provokanten Spruch: „Komm‘ Sie ran, komm‘ Sie ran, hier werden Sie schöner beschissen als nebenan!“, gibt Tönjes einen Händler-Schnack zum Besten – nur um sofort hinzuzufügen: „Erwähnen Sie das bloß nicht in Ihrem Artikel!“
Und wenn so gar nichts los ist, kann man sich als Händler vor den eigenen Stand stellen und mit interessiertem Blick seine Waren prüfen, rät Tönjes – mit etwas Glück gesellen sich bald die nächsten Neugierigen dazu. Wo Leute stehen, kommen noch mehr dazu, das ist Flohmarkts-Gesetz, sagt auch Harald Siegel von der Breminale Gmbh, die seit 1993 den Flohmarkt auf der Bürgerweide und den Mode-Flohmarkt Woman in den Messehallen veranstaltet.
Größter Flohmarkt in ganz Deutschland
Nach dem Mauerfall sei der Bürgerweiden-Markt zum größten Flohmarkt in ganz Deutschland geworden, erzählt Siegel. „Da kamen hunderte Polen nach Bremen, die entdeckt hatten, dass man hier an einem Standort an zwei Wochenendtagen verkaufen kann, erst an der Schlachte, dann auf der Bürgerweide.“
Wer keine Lust, sich mit Fremden zu unterhalten, ist auf dem Flohmarkt fehl am Platz. Hier regiert das Durcheinander, bestimmt der Zufall die Fundstücke und Gespräche. „Es gibt keine Ordnung der Waren bei uns“, sagt Siegel. „Der Markt sortiert sich selbst, das ist eine gewisse Anarchie, es ist immer anders.“ Der Flohmarkt ist ein Ort des freien Handels, wo Menschen mit Bargeld und Waren zusammen kommen, betont er: „Das gibt es heute gar nicht mehr so oft.“
Online-Plattformen wie Ebay, wo Waren digital bundesweit angeboten werden, würden die Flohmärkte verändern. Aber Flohmarkt ist mehr als Kaufen und Verkaufen, sagt Siegel: „Flohmarkt ist Showtime und hat Unterhaltungswert. Das ist eine Performance, die mich jeden Sonntag wieder beeindruckt.“ Beachtlich findet er, dass es dabei so friedlich bleibt: „Klar gibt es immer mal einen Hehler, aber wir hatten in 24 Jahren nur zwei halbe Schlägereien.“