Wunsch nach Sicherheit und Verkehrsberuhigung im Wohnquartier Festgefahren an der Bürgerweide

Auf der Straße Radfahren lernen, in Hickelkästen aus Kreide hüpfen oder ungestört Gummitwist spielen: Heutzutage sind die meisten der einst ruhigen Wohngebiete für solche Spielereien viel zu vollgeparkt und viel zu gefährlich.
03.07.2017, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Anke Velten

Auf der Straße Radfahren lernen, in Hickelkästen aus Kreide hüpfen oder ungestört Gummitwist spielen: So etwas kennen Menschen, die vor vierzig Jahren oder früher Kinder waren. Heutzutage sind die meisten der einst ruhigen Wohngebiete für solche Spielereien viel zu vollgeparkt und viel zu gefährlich. Um Stadtkindern direkt vor ihrer Haustür zumindest zeitweise einen sicheren Raum zu schaffen, gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, Straßen für drei Stunden in der Woche zu Spielstraßen zu machen. Doch das muss man erst einmal schaffen, wissen auch die Eltern aus der Brandtstraße. Denn ob eine Straße ein Spielplatz sein soll, auch wenn es nur drei Stunden sind, darüber sind nicht nur die Anwohner, sondern auch die Behörden grundsätzlich geteilter Meinung. Eine Gruppe von Nachbarn aus dem Wohngebiet hat nun beschlossen, gemeinsam aktiv zu werden. Ihnen geht es darum, das gesamte Quartier sicherer und ruhiger zu machen.

Die Bürgersteige entlang der Brandtstraße sind an einem normalen Nachmittag von vorne bis hinten dicht zugeparkt. Anders als in ihrer Fortsetzung Richtung Herbststraße wird hier nämlich das Parken auf beiden Seiten der Fahrbahn geduldet. Warum gerade hier, das weiß niemand, erklärt Bettina Rabe, die mit ihrer Familie seit elf Jahren in der Brandtstraße wohnt. Die parkenden Autos machen die Bürgersteige so eng, dass ein Durchkommen für Menschen mit Rollstühlen, Rollatoren oder Kinderwagen kaum möglich ist. Vor ein paar Tagen sei ein Wagen der Müllabfuhr auf halber Höhe stecken geblieben, erzählt ihre Nachbarin Vivienne Otto: „Man stelle sich vor, es wäre ein Rettungswagen gewesen oder die Feuerwehr!“ Zurzeit ist es ungewöhnlich ruhig – die Kanalbaustelle hält den Verkehr aus dem Quartier. „Wir genießen das gerade sehr“, sagt Bettina Rabe.

In den vergangenen Jahren sei das Verkehrsaufkommen massiv angestiegen, die Fahrweise rücksichtsloser geworden, berichtet sie. Beide erinnern sich an gefährliche Situationen, bei denen nur mit Glück noch nicht Schlimmeres passiert sei. „Manche Autos heizen hier mit so viel Karacho durch, dass man nicht mal das Kennzeichen erkennen kann“, sagt Vivienne Otto.

Ende 2015 brachten die beiden Nachbarinnen erstmals vor dem Findorffer Sozialausschuss ihre Idee vor, die Brandtstraße im Sinne der mehr als zwanzig hier wohnenden Kinder zur temporären Spielstraße zu machen. Zurzeit gibt es davon bremenweit acht – alleine vier in Schwachhausen, zwei in der östlichen Vorstadt, eine in Horn und eine in Blumenthal. Die Erfahrungen seien überwiegend positiv, berichtet Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. „Familien und Anwohner freuen sich über den gewonnenen Raum und die Möglichkeit, sich zu treffen.“ In den meisten Fällen sei die Einrichtung unkompliziert verlaufen, so Schneider weiter.

Nicht so in Findorff. Nicht alle Anwohner waren für die Idee zu gewinnen. Manche der älteren Nachbarn kritisierten, dass die Zufahrt für Pflege- oder Essensbringdienste in diesen Stunden blockiert wäre oder der Weg zum umgeparkten Auto zu beschwerlich. „Natürlich hätten wir alle gemeinsam versucht, in diesen Fällen Lösungen zu finden“, betont Vivienne Otto. Während die Stadtteilpolitiker das Vorhaben einhellig begrüßten, erteilte das Amt für Straßen und Verkehr (Asv) im Februar dieses Jahres eine Absage. Die Straßenverkehrsordnung erlaube eine solche Spielstraße nur, wenn absolut keine anderen Spielflächen in der Nähe zu finden seien, erklärt Jens Tittmann, Sprecher des Senators für Bau, Umwelt und Verkehr. Im Falle der Brandtstraße gebe es ausreichend naheliegende Spielplätze.

Dies wiederum sieht das Amt für Soziale Dienste ganz anders. Mit dem kleinen öffentlichen Spielplatz Herbststraße und dem nicht-öffentlichen und nur zeitweise bespielbaren Schulhof der Grundschule an der Admiralstraße sei die angestrebte Versorgungsquote im Ortsteil Findorff-Bürgerweide nicht erreicht, macht Initiativberater Daniel Gortay klar. Die Umwidmung sei dann auch keine Lösung, erwidert Tittmann. Wenn dort Spielflächen fehlten, müsse man sie eben ausweisen und entwickeln. „Komisch – woanders geht das“, wundert sich Vivienne Otto. „Wir hätten nie gedacht, dass das so kompliziert ist“, sagt Bettina Rabe.

Dass das Wohnquartier zwischen Findorffstraße, Hemmstraße, Admiral- und Eickedorfer Straße stark belastet ist, ist dem Findorffer Beirat lange bekannt. Hauptproblem ist die direkte Nähe zum Veranstaltungszentrum Bürgerweide, sagen die Nachbarinnen. Statt für die gebührenpflichtigen Parkplätze vor den Messehallen zu bezahlen, kreisten Autokarawanen lieber durch die angrenzenden Wohnstraßen. Im März 2015 gab es zu diesem Thema einen großen Workshop, bei dem Lösungsvorschläge gesucht wurden. Anschließend beschäftigte sich eine Projektgruppe aus dem Fachbereich Städtebau und Verkehrswesen der Hochschule Bremen mit dem Problem. Passiert sei dann aber nichts, berichten Bettina Rabe und Vivienne Otto. Das ASV-Angebot, die Einbahnstraßenführung umzukehren, werde nicht viel bringen. „Dann kreisen die Autos nur andersherum“, sagt Vivienne Otto.

Mit Vertretern der Messe Bremen habe man schon das Gespräch gesucht und dort Verständnis gefunden. „Auch dort ist man sehr interessiert an einem funktionierenden Parkleitsystem“, so die Findorfferin. Mit ihrem Wunsch, den Verkehr in ihrem Wohngebiet erträglicher zu machen, stehen die Nachbarn aus der Brandtstraße nicht allein. Im Mai dieses Jahres schlossen sie sich mit Anwohnern der umliegenden Straßen zu einer Bürgerinitiative zusammen.

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