Nun kann es in Bremen also bald losgehen mit der ökologischen Verkehrswende, mit Schulbauoffensive, Stärkung der Gesundheitswirtschaft, Ausbau der Hochschulen und vielem mehr, was sich die rot-grün-roten Partner vorgenommen haben. An guten Vorsätzen fehlt es ja nicht. Auch nicht an einer gewissen Aufbruchstimmung, die das künftige Regierungslager erfasst hat. Bei der SPD war das am Sonnabend auf dem Landesparteitag deutlich zu spüren. Die Gemütsverfassung der am 26. Mai zwar stark gerupften, doch innerhalb des neuen Bündnisses immer noch stärksten Partei hat sich deutlich aufgehellt.
Wohl weniger aus Begeisterung über den Koalitionsvertrag, der ja eher eine grüne Handschrift aufweist, sondern wegen der personellen Weichenstellung an der Senatsspitze. Die Partei ist heilfroh über die Ankunft ihres Hoffnungsträgers Andreas Bovenschulte. Das konnten auch die Lobeshymnen nicht kaschieren, die auf seinen letztlich glücklosen Vorgänger Carsten Sieling angestimmt wurden. Nach dessen krachender, auch persönlicher Niederlage bei der Bürgerschaftswahl war ein „Weiter so“ schlicht nicht mehr möglich. Vielen sozialdemokratischen Funktionären konnte man auf dem Parteitag die Erleichterung darüber anmerken, dass Sieling dies gerade noch rechtzeitig begriffen hat.
Bei den parallel tagenden Grünen herrschte ohnehin eitel Sonnenschein. Sie sind mit sich und ihrem Spitzenpersonal im Reinen, sehen sich mit 17,4 Prozent Stimmanteil als Bremens dominierende politische Kraft. Dass ihr Bürgerschaftswahlergebnis angesichts des bundesweiten Höhenflugs der Grünen und des in Bremen überdurchschnittlich großen linksliberalen Wählerpotenzials eher mau war, vielleicht sogar Demut statt Übermut stiften sollte – solche Gedanken beschleichen bei den Grünen derzeit niemanden.
Nach Senatswahl enden die Flitterwochen
Es wird nun interessant zu beobachten sein, wie lange die gute Laune in beiden Lagern anhält. Nach der Wahl des neuen Senats Mitte August enden die Flitterwochen, es naht der Regierungsalltag. Ab dem Herbst gilt es, den Doppelhaushalt 2020/21 aufzustellen. Zwar trifft es zu, dass Bremens finanzielle Spielräume durch die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen vom nächsten Jahr an wachsen – aber leider nicht in dem Maße, wie sich zusätzliche Ausgabenwünsche eingestellt haben. Manches wird man schieben, strecken oder streichen müssen.
Da wird jeder Koalitionspartner die Auffassung vertreten: am besten irgendwas von der Agenda der anderen. Nicht umsonst sprach Grünen-Chef Hermann Kuhn im Zusammenhang mit der Etat-Aufstellung 20/21 von „zweiten Koalitionsverhandlungen“. Seiner Parteifreundin Maike Schaefer ist da nicht bang. Sie sagte wenige Tage zuvor mit Blick auf das rot-grün-rote Bündnis: „Beim Geld hört bei uns die Freundschaft nicht auf.“ Nun, das wäre in der Politik mal was Neues.