
Der Freimarkt ist immer eine Mordsgaudi, und wenn es dort einen Ort gibt, auf den das besonders zutrifft, dann ist das zweifelsohne das Bayernzelt. An jedem Abend ist es proppenvoll, am Vormittag auch, wenn zum Frühschoppen eingeladen wird. Doch nun bahnt sich Ärger an.
Das Bayernzelt – von seinen Betreibern etwas pompös Bayernfesthalle genannt – soll weichen, den Platz wechseln und kleiner werden, wenn es nach den Plänen von Marktverwaltung und Wirtschaftsbehörde geht. Der Grund: Es gibt ein neues Zelt, das die Fläche an der Theodor-Heuss-Allee belegen soll, eines, das sich deutlich abhebt von den anderen, weil es innen wie außen fein eingekleidet ist und gastronomisch mehr zu bieten hat als Bier, Braten und Brezel. Eigentümer und Betreiber ist die Schaustellerfamilie Renoldi.
"So etwas hatten wir noch nicht", sagt Wolfgang Ahrens, Geschäftsführer des Bremer Schaustellerverbandes. Das neue Zelt mit seinen zwei Ebenen, den aufwendigen Holzschnitzereien und dem hochwertigen Mobiliar sei von einmaliger Qualität. Etwas für ein Publikum, dem das Bayernzelt möglicherweise zu derb ist. Ahrens ist sich sicher: "Da kann man nicht dran vorbei."
Auf der anderen Seite dürfe es nicht sein, dass so ein bewährtes und gerade in den vergangenen Jahren sehr beliebtes Angebot wie das Bayernzelt Schaden nimmt, meint der Geschäftsführer. "Dort gibt es ein Stammpublikum, das wir nicht verlieren wollen." Auch müsse man an den Betreiber denken, der das Zelt erst im vergangenen Jahr erworben habe.
Millionen in Kauf investiert
Neuer Eigentümer ist Jan Patrick Wolters. Er hat das Bayernzelt von der Bremer Bührmann-Gruppe und der Familie Traber übernommen. Für einen Millionenbetrag, wie Wolters sagt. Der 36-Jährige ist Inhaber einer IT-Firma und hat nach eigener Darstellung in der Vergangenheit für das Bayernzelt viel im Marketing und in der Werbung gearbeitet. "Deshalb kenne ich die bisherigen Besitzer sehr gut." In den Jahren zwischen 2011 und 2016 war Wolters Inhaber des Restaurants "Bandonion" in der Gertrudenstraße im Bremer Viertel. Daher rühren seine gastronomischen Erfahrungen.
Wolters, so erzählt er das, war entsetzt, als er Anfang Mai das erste Mal von dem Plan hörte, sein Bayernzelt vom angestammten Platz zu verbannen und es dort hinzustellen, wo bisher die Almhütte stand. "Bremen ist mein Hauptplatz, auf dem Freimarkt muss ich das Geld verdienen, um meine Kredite für den Kauf des Zeltes zu bedienen." Der Umzug würde bedeuten, auf einer wesentlich kleineren Fläche zurechtkommen zu müssen, mit entsprechend geringeren Umsätzen.
"Das Bayernzelt hatte in den vergangenen Jahren rund 2200 Quadratmeter, dann wäre es nur noch knapp die Hälfte davon", rechnet der Unternehmer vor. Er kann das nicht verstehen und nicht akzeptieren: "Wir haben einen solchen Erfolg, müssen an manchen Tagen sogar einen Einlassstopp verhängen und sollen trotzdem nicht nur woanders hin, sondern auch das Geschäft reduzieren."
Wolters, der nach eigenen Angaben während der 17 turbulenten Tage im Herbst in Spitzenzeiten 120 Mitarbeiter beschäftigt und im Ganzen 60 000 bis 80 000 Gäste bewirtet, berichtet von mehr als Tausend Reservierungen, die für dieses Jahr bereits bei ihm eingegangen seien. "Das sind Besucher von überall her, auch aus dem Ausland, aus Norwegen, Dänemark, England und Italien." Er würde das Zelt gerne noch viel größer bauen, dann wäre es immer noch meistens ausverkauft.
"Ich bin für vieles zu haben, wir können über alles reden, aber in diesem Maße die Fläche zu kappen, haut alle meine Kalkulationen über den Haufen", erklärt der Betreiber. Das habe er vor einigen Wochen auch in einem Gespräch mit der Wirtschaftsbehörde vorgebracht, so wie es der Schaustellerverband kurze Zeit vorher bereits getan hatte. Wolters: "Ich hoffe immer noch, dass die Stadt einlenkt."
Wirtschaftsbehörde legt sich fest
Danach sieht es allerdings nicht aus, wie eine Stellungnahme der Wirtschaftsbehörde nun nahelegt. "Alle Beteiligten sind sich einig, dass das neue Zelt für den Freimarkt eine Bereicherung ist", sagt Behördensprecher Tim Cordßen. Das Bayernzelt habe dagegen zuletzt einen eher negativen Eindruck gemacht. Es sei baulich in die Jahre gekommen und auch beim gastronomischen Angebot nicht an der Spitze, sagt Cordßen. Hinzu komme, dass die Polizei öfter einschreiten müsse, häufiger als in den anderen Zelten. "Deswegen wollen wir den Platz mit dem neuen Zelt besetzen und gleichzeitig dem Bayernzelt auf verkleinerter Fläche eine andere Chance geben." Dies solle zunächst nur für dieses Jahr gelten. Nichts sei in Stein gemeißelt.
Es gäbe einen Kompromiss, den Platz des Hansezeltes als Ausweichquartier. Das Bayernzelt müsste sich dort anders als an dem Almhütten-Standort nicht verkleinern. Cordßen schließt das aber so gut wie aus: "Wir wollen das Hansezelt an dem Ort belassen, wo es ist." Das Angebot dort ziehe mit seinem maritimen Charakter noch einmal ein ganz anderes Publikum an als die bajuwarische Variante.
Hansezelt und Almhütte werden von den Renoldis betrieben, eben jener Familie, die das neue Zelt aufbauen will. Sie war trotz mehrmaliger Anfragen für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.