Fachdienst Flüchtlinge und Integration Fruchthof wird Beratungsstelle statt Bananenhandel

Der ehemalige Fruchthof am Breitenweg soll zur zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge werden. In dem denkmalgeschützen Gebäude wird der "Fachdienst Flüchtlinge und Integration" eingerichtet.
28.09.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Fruchthof wird Beratungsstelle statt Bananenhandel
Von Frauke Fischer

Die Fassade ist ein Schmuckstück auf den zweiten Blick. Aber spätestens der Spaziergang durch das gewendelte Treppenhaus lässt Besucher im ehemaligen Fruchthof am Breitenweg schmunzeln und an die lange Tradition des Unternehmens denken, das hier bis zum Umzug in die Überseestadt seinen Hauptsitz hatte. Die Pfosten der Messinghandläufe nämlich schmücken Ananasfrüchte in Originalgröße, ebenfalls aus Messing.

André Fuchs und Thomas Stefes vom Investorenunternehmen Stefes Pro hat aber nicht nur das gefallen, als sie das leer stehende Gebäude vor ein paar Monaten kauften. Für die Zeit nach der begonnenen Sanierung haben sie inzwischen bereits einen seriösen Ankermieter gewonnen: Die Sozialbehörde wird dort offenbar mit bis zu 210 Mitarbeitern einziehen.

Ein 7500 Quadratmeter großes Gebäude mit Büros, noch dazu größtenteils leer stehend, verkehrsgünstig gelegen in absoluter Bahnhofsnähe. Busse und Straßenbahnen halten quasi vor der Tür. Als Thomas Stefes sich den Fruchthof sicherte und die Sanierung des 50er-Jahre-Gebäudes plante, stand noch nicht fest, dass die Sozialbehörde dort einziehen könnte.

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Dass sich das Gebäude, das derzeit unter Denkmalschutz gestellt wird, in eines „mit Strahlwirkung für die Ecke“ verwandeln könne, stand für Fuchs und Stefes indes fest. Immerhin ist im Gespräch, in den Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs auch den Zentralen Omnibusbahnhof zu verlegen und zu erweitern. Auf dem Bahnhofsvorplatz entstehen bekanntlich zudem zwei Gebäude mit Büros, Hotels und Geschäften. Und nun macht die aktuelle Situation mit einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen, die vor allem in Bremer Gemeinschaftsunterkünften leben, aus Sicht des zuständigen Ressorts auch eine zentrale, innerstädtische Anlaufstelle unter dem Namen „Fachdienst Flüchtlinge und Integration“ notwendig.

Zentrale Stelle für Flüchtlinge

„Künftig sollen Flüchtlinge nur noch diese eine Anlaufstelle haben, die so lange zuständig bleibt, bis sie die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen und eine eigene Wohnung bezogen haben“, hatte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) kürzlich erklärt. „Mit diesem zentralen Fachdienst werden wir viele Aufgaben effektiver wahrnehmen können.“

Dass sich Investor und Behörde über die Nutzung des Gebäudes verständigen, liegt also nahe. Eine offizielle Bestätigung von der Behörde gibt es noch nicht, Verhandlungspartner auf städtischer Seite ist Immobilien Bremen. Von deren Sprecher Peter Schulz heißt es: „Die Verhandlungen laufen gut. Sie werden sicher zu einem guten Ergebnis führen.“

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Bis die vielen auf ihre Aufgaben spezialisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Frühjahr 2016 einziehen können, muss im Fruchthof noch einiges auf Vordermann gebracht werden. „Nach 60 Jahren ist eine Komplettsanierung notwendig“, sagt Stefes. Fenster, Fassade, Haustechnik: Je länger sich der Investor und sein Geschäftsführer Fuchs mit dem Fruchthof beschäftigen, desto mehr Gefallen haben sie daran gefunden, erzählen sie. Beispielsweise an der klaren Struktur der Fassadenarchitektur, an dem Treppenhaus, aber auch an dem unterirdischen Gang, der an die Zeiten erinnert, als noch Bananen, Ananas und andere Südfrüchte vom Güterbahnhof hierher transportiert und gehandelt wurden. Und dann sind da die beiden Auktionssäle, die Rollsysteme für die Bananen, die Reifekammern im Keller. „Sogar einen Auktionshammer habe ich gefunden, der liegt jetzt bei mir im Büro“, sagt Fuchs.

Gebäude mit Geschichte

Der neue Fruchthof – schließlich gab es Vorläufer am Breitenweg – wurde 1955 eingeweiht. Als das Unternehmen Atlanta-Scipio, das seinen Namen im Laufe der Jahrzehnte wegen Besitzerwechsel mehrfach änderte, schließlich zum Großmarkt in die Überseestadt zog, wurde es in den vergangenen Jahren zunehmend leerer im Fruchthof-Gebäude. Noch lange erinnerte eine große Banane an der Fassade an die Handelsgeschichte und an das Produkt in ihrem Zentrum.

Dass der Bremer Bauinvestor ein Auge auf den Fruchthof geworfen hat, passt in sein Portfolio. Er hat sich auf nicht mehr genutzte Gebäude mit Geschichte spezialisiert. Er hat unter anderem das alte Rathaus in Hemelingen saniert und mit neuem Leben gefüllt, ebenso wie das Haus Schotteck in St. Magnus in Bremen-Nord. Auch der Wümmehof in Borgfeld gehört dazu: das ehemalige Anwesen der Familie Hohenzollern, auf dem im kommenden Jahr neben dem inzwischen fast fertig sanierten Wohnhauses noch Einfamilienhäuser entstehen sollen. Stefes hat bekanntlich auch den Gebäudekomplex Domshof 8-12 gekauft, zu dem die historischen Räume der Bremer Bank gehören. Sanierung und Umbau laufen noch, in einige Etagen sind bereits neue Mietern eingezogen.

Im kommenden Jahr, so heißt es, soll Manufactum in die ehemaligen Bankräume einziehen – ein Einzelhandelsunternehmen, das in Norddeutschland bislang nur in Hamburg mit einem Warenhaus vertreten ist. Flankiert wird der Ankermieter Manufactum, der wohl auch eine Außengastronomie vor der historischen Fassade der Bank einrichten wird, von einer Ladenpassage in dem großen Gebäude. Diese Passage hatte Stefes in unserer Zeitung bereits im Dezember 2014 „vielleicht für das Weihnachtsgeschäft 2016“ angekündigt. „Und sie kommt“, versichert er jetzt.

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