Falschparker werden zu selten bestraft. Dieser Ansicht sind die Mitglieder des Forums Verkehrswende Bremen-Neustadt und verabredeten sich kürzlich zu einer öffentlichkeitswirksamen Aktion an der Lahnstraße. Im Mittelpunkt stand ein schwarzer VW-Polo, der an diesem Morgen den Gehweg an der Einmündung zur Bachstraße versperrte.
Vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen ist das Parken im Fünf-Meter-Bereich zur Fahrbahnkante verboten, besagt die Straßenverkehrsordnung. Dagegen werde in Bremen sprichwörtlich an jeder Ecke verstoßen, meinen die Aktivisten vom örtlichen Verkehrswende-Forum. Und tatsächlich – an diesem Morgen müssen die Aktivisten nach einem solchen Parkvergehen nicht lange suchen. Ein Blick, die schnurgerade Straßenflucht der Lahnstraße hinunter, genügt. An der Ecke zur Bachstraße glänzt ein schwarzer Kleinwagen in der Morgensonne. Das Fahrzeug versperrt den Fußweg in seiner ganzen Breite.
Der motorisierte Stein des Anstoßes wird kurzerhand zum Mittelpunkt der Aktion. Die Teilnehmer packen eine Gelenkleiter aus – zum Treffpunkt transportiert mit dem Lasten-Fahrrad – und setzen sie quer über die Motorhaube des Wagens. Auf allen Vieren klettert Aktivistin Cornelia Ernst, Sprosse für Sprosse über das falsch geparkte Fahrzeug und überwindet die Kühlerhaube schließlich unbeschadet.
Empfundenes Gewohnheitsrecht
Die Botschaft dieser Demonstration: Das ist der Weg, den ein Fußgänger nehmen müsste, wollte er wie vorgesehen vorschriftsmäßig auf dem Gehweg bleiben. „Für Passanten, die zu Fuß unterwegs sind, stellt dieses parkende Auto ein unüberwindbares Hindernis dar. Rollstuhlfahrer, ältere Menschen mit Rollatoren oder Eltern mit kleinen Kindern an der Hand – sie alle müssen auf den Radweg ausweichen“, erklärt Cornelia Ernst das Problem.
Derweil legt Wolfgang Köhler-Naumann Hand am Wagen an. Er verziert die Motorhaube mit einer Spur aus „Kinderfüßen“, wie er sagt. Die symbolischen Schuhsohlen sind aus Haushaltskrepp zurechtgeschnitten. Angefeuchtet mit Wasser aus einer Sprühflasche haften sie gut am glatten Lack des Wagens. Es soll wohl ein Denkzettel für den Fahrer sein, aber keinen Schaden anrichten. Der Halter lässt sich gar nicht erst blicken und so läuft die Aktion unbehelligt weiter. Den notwendigen Schlenker um den Wagen herum, markiert Köhler-Naumann mit orangefarbenen Plastikhütchen. „Stopp, gefährlich geparkt“, ist auf einem aufgestellten Schild zu lesen. Die provisorisch eingerichtete „Umleitung“ macht ein weiteres Szenario sichtbar: Kommen Fußgänger und Radfahrer hier gleichzeitig vorbei, führt das den Radfahrer zwangsläufig auf die Straße. Dort bahnen sich wiederum Konflikte mit Autofahrern an, die ihrerseits auf der Lahnstraße unterwegs sind.
Einen Tag nach der Aktion in der Neustadt veröffentlicht der Bremer Ableger des Verkehrsclub Deutschland (VCD) auf seiner Internetseite einen Offenen Brief an Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne). In dem Schreiben behaupten die Verfasser, es sei „gängige Praxis innerhalb der Bremer Verwaltung, das ordnungswidrige Abstellen von Fahrzeugen auf Gehwegen in Bremen zu tolerieren.“ Unterzeichnet haben den Brief die Landesverbände von BUND, VCD, ADFC und dem Fußgängerschutzverein FUSS. Die Interessenverbände agieren gemeinsam und haben sich zum „Bremer Bündnis für die Verkehrswende“ zusammengeschlossen.
Weiter ist dort zu lesen, dass die angebliche Duldung derartiger Verstöße bei den Kraftfahrern ein „empfundenes Gewohnheitsrecht“ hervorrufe. Dieser Ansicht ist auch Cornelia Ernst aus der Bremer Neustadt. „Die Rechnung, dass es billiger ist, falsch zu parken als einen Stellplatz anzumieten, geht für Autofahrer in Bremen auf. Sie haben nichts zu befürchten.“ Gehwege seien aber den Fußgängern vorbehalten und kein privater Parkraum.
Das Problem hat bereits im April vorigen Jahres auch den Neustädter Beirat beschäftigt. Er fordert den Innensenator und die zuständigen Stellen dazu auf, für die strikte Einhaltung der Fünf-Meter Abstandsregel zu sorgen. Fast ein Akt der Verzweiflung, denn im Grund beschloss der Beirat einfach noch einmal die bestehende Gesetzeslage. In anderen Stadtteilen fordern die Beiräte zusätzliche Markierungen auf der Fahrbahn, oder haben sogar Poller und Blumenkübel aufgestellt, um dem wilden Parken ein Ende zu setzen. Auch dazu haben die Aktivisten eine Position verfasst.
Der öffentliche Raum, der zuvor von Fahrzeugen blockiert wurde, werde mit solchen Hindernissen erneut verschwendet. Darüber hinaus bringe dieser Lösungsansatz an anderer Stelle einen unerwünschten Effekt hervor. Die Bereiche, in denen es keine Poller gebe, würden von den Kraftfahrern nun besonders häufig angesteuert. Die zentrale Forderung des Forums Verkehrswende formuliert Wolfgang Köhler-Naumann: „Das kostenlose Parken im öffentlichen Raum muss ganz abgeschafft werden.“ Auf diese Weise solle der Druck auf die Autofahrer spürbar erhöht werden. Langfristig würden sich dann manch einer dazu entschließen, ganz auf sein Fahrzeug zu verzichten, so das Kalkül der Fußgänger-Aktivisten. Bislang entlädt sich dieser Stress jedoch allzu oft ganz unmittelbar am Ort des Geschehens, nämlich auf der Straße. Geraten Verkehrsteilnehmer aneinander, wird schon mal hitzig mit der Faust gedroht.