Hamburg hat es versucht, aber ein Bürgerentscheid stoppte die Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2024. Geht es nach dem CDU-nahen Wirtschaftsrat, dann soll Norddeutschland insgesamt dieses Thema erneut aufgreifen – und zwar für die Sommerspiele 2032 oder 2036. Die Reaktionen auf den Vorschlag, den der Wirtschaftsrat diese Woche geäußert hat, fallen eher verhalten aus.
„Ich bin etwas irritiert, was diese Initiative betrifft“, sagte etwa Andreas Vroom, Präsident vom Landessportbund Bremen, dem WESER-KURIER. „Denn eigentlich galt bislang ja das Ruhrgebiet als möglicher Kandidat für eine Olympia-Bewerbung.“ Man erarbeite derzeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, wie und ob eine Olympia-Bewerbung für Deutschland Sinn mache. Vom Vorstoß des Wirtschaftsrates sei er überrascht, „davon hatte ich bislang noch nichts gehört“.
Für Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) klingt so eine Idee zunächst charmant. „Allerdings belegen viele Studien, dass der Investitionsbedarf zumeist deutlich höher ist als die zu erwartenden Einnahmen.“ Daher werde man solche Konzepte aus Sicht eines Haushaltsnotlagelandes mit einem sehr kritischen Blick begutachten müssen.
In Hamburg stieß die Olympia-Bewerbung aus verschiedenen Gründen auf immer größere Ablehnung und führte schließlich zum Aus: Zum einen hatte der Bund keine fixe Finanzierungssumme angegeben, zum anderen wurde befürchtet, dass Hamburg acht Jahre lang zu einer Großbaustelle werden würde. Dabei kam der Erfolg der Olympia-Gegner etwas überraschend, weil es über Monate in der Stadt eine spürbare Begeisterung für das Megaevent gegeben hatte. Im Sommer 2015, vier Monate vor der Abstimmung, hatten sich bis zu 70 Prozent der Hamburger in Umfragen noch pro Olympia ausgesprochen. Als eine weitere Erklärung für die Niederlage der Olympia-Befürworter galt die allgemeine Stimmung damals und, beeinflusst durch die Terroranschläge in Paris, die Sicherheitslage und der Flüchtlingszustrom.
Grundsätzlich begrüßenswert
„Grundsätzlich sind solche Sportevents im norddeutschen Raum begrüßenswert“, so Marco Lübke, sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Dadurch ergebe sich die Chance, sich Tausenden Gästen und einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren, mit positiven Effekten für Wirtschaft und Tourismus. Allerdings müsse bei einer solchen Großveranstaltung auch die Beteiligung und Akzeptanz der Bürger sichergestellt sein. Ein von oben übergestülptes Sportereignis funktioniere nicht. Dahinter müsse ein Konzept stehen, das die Aspekte von Kosten, Infrastruktur und Nachhaltigkeit transparent darstelle.
Für Sportsenatorin Anja Stahmann (Grüne) gibt es andere Schwerpunkte als Olympische Spiele, die die Politik setzen muss: „Angesichts der hohen Investitionen, die mit einer solchen Bewerbung verbunden wären – auch bei einer Verteilung der Kosten auf die Schultern mehrerer Länder –, sehe ich im Moment keine Möglichkeiten für Bremen, sich an einer solchen Bewerbung zu beteiligen.“ Der Leistungssport in Bremen habe einen hohen Stellenwert, der in Zukunft noch wachsen solle.
„Aber in der Größenordnung einer Olympiabewerbung können wir angesichts der vielen Probleme, die Bremen zu lösen hat, derzeit nicht ansatzweise denken.“ Die Koalition habe für die nächsten Jahre „Schwerpunkte im sozialen und im ökologischen Bereich gesetzt“ und stehe darüber hinaus „vor Herausforderungen unter anderem im wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bereich, die Vorrang haben müssen vor einer möglichen Olympiabewerbung“.
Ulrike Spitz, Pressesprecherin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ist der Idee des Wirtschaftsrats gegenüber sehr offen: „Noch ist nicht entschieden, ob und mit welcher Stadt oder Region der DOSB sich womöglich für Olympische Sommerspiele bewirbt.“ Man beschäftige sich sehr stark mit diesem Thema. „Deshalb freuen wir uns grundsätzlich über jede Initiative, die sich für Olympia in Deutschland engagiert.“
Ob das Internationale Olympische Komitee (IOC) Norddeutschland überhaupt als geeignet einordnen würde, ist zweifelhaft. Nach der aktuellen IOC-Agenda spielen gerade Nachhaltigkeit und geringe Kosten bei den Bewertungskriterien eine immer größere Rolle. Und gerade bei der Infrastruktur für Sportereignisse dieser Größenordnung gäbe es einen enormen Entwicklungsbedarf – nicht nur in Bremen.
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