German Academy "Wie motiviert man noch nachts um zwei Uhr?"

Sie sind maximal 40 Jahre alt und tragen zumeist schon Verantwortung für Mitarbeiter und Budgets: die Wirtschaftsjunioren der Handelskammern. In Bremen geht es nun um ihr ehrenamtliches Engagement.
17.07.2022, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Joerg Helge Wagner

Campus-Atmosphäre im alt-ehrwürdigen Haus Schütting am Markt: Junge Menschen in Polo-Shirts und Hoodies versammeln sich um Flipcharts und aufgeklappte Notebooks, diskutieren ihre Projekte an Bistro-Tischen oder auch mal auf den Treppenstufen. Zwischendurch haben wieder Trainer in improvisierten Seminarräumen das Wort. Der Sitz der Handelskammer summt an diesem Sonnabend vor Betriebsamkeit wie ein Bienenstock - die Wirtschaftsjunioren haben zur German Academy geladen, und Bremen ist in diesem Jahr der Ausrichter.

22 junge Unternehmer und Führungskräfte werden an vier Tagen 48 Stunden lang darin geschult, ihre Kompetenzen zu erkennen, Stress und Krisen zu bewältigen und schnelle Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es jedoch nur in zweiter Linie um das Management im jeweils eigenen Betrieb: "Wir suchen hier unsere Bundesvorsitzenden der Zukunft", erläutert Marc Philipp Krüger. "Die Arbeit bei den Wirtschaftsjunioren ist ehrenamtlich, es geht vor allem um gesellschaftliches Engagement."

Der 35-Jährige gehört hier schon zu den Älteren, fungiert quasi als Cheftrainer. 2015 ist Krüger als junge Führungskraft eines Personaldienstleisters in Berlin den Wirtschaftsjunioren beigetreten. Bei denen hat der dann diverse Trainer-Kurse absolviert bis hin zur höchsten Stufe: "Platin-Status, jetzt bilde ich selbst Mentoren aus." Mit vier anderen Trainern hat er vor einigen Jahren das Konzept der German Academy neu geschrieben, die Veranstaltung in Bremen wird für ihn die Letzte sein. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt Krüger inzwischen ein eigenes Coaching-Unternehmen.

Was genau passiert nun bei der German Academy? Im Detail mag Krüger das gar nicht verraten, denn die Teilnehmer sollen durch immer neue, überraschende Aufgaben und Fragestellungen an ihre Grenzen geführt werden - und darauf soll sich niemand vorbereiten können. Einfach bewerben kann man sich übrigens auch nicht: Man wird vom jeweiligen  Landesvorstand der Wirtschaftsjunioren vorgeschlagen, weil man als besonders engagiert und belastbar gilt. Für Bremen hatten sich am Ende 22 junge Führungskräfte qualifiziert - und da man über die Junior Chamber International (JCI) vernetzt sind, sind auch Teilnehmer aus Belgien, der Schweiz und Tschechien dabei.

Alisa Butterbach aus Mannheim hat es geschafft. Die 31-jährige Angestellte einer Unternehmensberatung begleitet im Alltag Firmen bei der digitalen Transformation. In Bremen übt sie ehrenamtliches Teamwork. "Wie motiviert man noch nachts um zwei Uhr - das ist so eine der Herausforderungen hier", schildert sie. "Schlafentzug ist ein großes Thema", pflichtet ihr lachend Nathalie Jung bei. Die 30-Jährige arbeitet im hessischen Weilburg in der Rechtsabteilung eines Finanzdienstleisters.

In Bremen beschäftigt die beiden Frauen jetzt das selbst gewählte Projekt Ressourcen-Saver. Dabei geht es weniger um betriebswirtschaftliche Einsparungen an Personal und Finanzmitteln, sondern eher um umweltschonende Maßnahmen in Unternehmen: Plastikvermeidung, papierloses Büro, Photovoltaik auf Betriebsgebäuden sind einige Stichworte. Am Ende soll aus dem Planspiel eine Online-Plattform auf Instagram entstehen, auf der Unternehmen oder Einzelpersonen ihre Anregungen oder Best-Practice-Beispiele posten können.

"Ich mag bei allem Stress den Austausch hier", sagt Nathalie Jung. "Wo geht die Reise mit meinem Ehrenamt hin?" Alisa Butterbach schätzt "den geschützten Raum, in dem man sich ausprobieren kann". Etwa, bei einem Projekt Informationen so zu steuern, dass sie jeden vollständig erreichen, der sie braucht.

Von der Seminarleitung hingegen werden Informationen manchmal bewusst zurückgehalten, um künstlichen Druck zu erzeugen: Die beiden Teilnehmerinnen, die am Sonnabend eine Stunde lang eine Talkrunde mit dem Ehrengast bestreiten sollen, haben erst am Freitag erfahren, wer das ist. Das ist selbst für Moderationsprofis eine Herausforderung.

Klaus Meier, Rechtsanwalt, Investor und Gründer von Deutschlands größtem unabhängigen Windpark-Entwickler WPD, stellte sich am Mittag den Fragen der Academy-Teilnehmer. In denen erkenne er sich nicht unbedingt selbst wieder, bekennt der Bremer Windkraft-Pionier danach: "Ich war selber kein Wirtschaftsjunior, ich hatte in dem Alter kein geplantes Leben." Dem Management-Nachwuchs gibt er eher allgemeine Einsichten und Erfahrungen mit auf den Weg: "Grundlage für Erfolg ist persönliches Glück, möglichst als Dauerzustand. Man sollte ihn nie allein an Geld knüpfen."

Mit großer Gelassenheit spricht der 57-jährige Selfmademan über Fehler: "Die muss man machen - wenn man keine machen darf, ist man komplett ineffektiv." Bei einer Investition in Biogas habe sein Unternehmen einmal viel Geld verloren, aber das sei "das Beste gewesen, was uns passieren konnte". Wie das? "Es war gut für die eigene Erdung, denn bei viel Erfolg auf dem Boden zu bleiben, ist nicht ganz einfach." Meier nennt es das "Midas-Syndrom", nach dem sagenhaften antiken König Midas: Alles, was der berührte, wurde plötzlich zu Gold - allerdings am Ende auch sein Essen.

Zur Sache

Wirtschaftsjunioren

Rund 10.000 Unternehmer, Unternehmerinnen und Führungskräfte unter 40 Jahren sind in den 215 Mitgliederkreisen Wirtschaftsjunioren organisiert. Sie sind damit das größte Netzwerk junger Wirtschaft in Deutschland. Der Juniorenkreis der Handelskammer Bremen hat rund 120 Mitglieder. Sie vertreten nach eigenen Angaben mehr als 11.000 Arbeitsplätze, ihre Firmen erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von fast sechs Milliarden Euro.

Die Hauptziele der Organisation sind ein belastbares Netzwerk, Weiterbildung, gesellschaftliches Engagement, politische Beteiligung und internationaler Austausch. Im weltweiten Netzwerk Junior Chamber International (JCI) engagiert man sich mit 200.000 Aktiven weltweit für Verständigung und nachhaltige Entwicklung. Beim gesellschaftlichen Engagement geht es um Kooperation mit Kommunen, Vereinen und NGOs. Bewerbertrainings an Schulen "auf Augenhöhe" nennt der Stellvertretende Bundesvorsitzende Tobias Hocke als ein Beispiel. JOE

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