Der Kulturladen Huchting hat für eine Ausstellung 100 Menschen mit Migrationshintergrund porträtiert Geschichten vom Ankommen

Altstadt/Huchting. Ankommen – für die meisten Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland ziehen, ist das ein Prozess, der sich über Jahre zieht, sagt Vera Zimmermann vom Kulturladen Huchting. Sie und ihr Team haben in den vergangenen zwei Jahren mit 100 Menschen, die in Huchting leben oder arbeiten, über dieses Thema gesprochen.
26.09.2016, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Geschichten vom Ankommen
Von Kristin Hermann

Altstadt/Huchting. Ankommen – für die meisten Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland ziehen, ist das ein Prozess, der sich über Jahre zieht, sagt Vera Zimmermann vom Kulturladen Huchting. Sie und ihr Team haben in den vergangenen zwei Jahren mit 100 Menschen, die in Huchting leben oder arbeiten, über dieses Thema gesprochen. Das Ergebnis aus diesen Gesprächen zeigen sie ab kommenden Freitag, 30. September, in einer Ausstellung in der Unteren Rathaushalle. Sie trägt den Namen: „100 Prozent Mensch, 100 Prozent Huchting“.

Dort hängen dann riesige Porträts derjenigen, die an dem vom Bundesamt für Migration geförderten Projekt teilgenommen haben. Zimmermann und die anderen Mitarbeiter haben aber nicht nur mit Menschen gesprochen, die von der aktuellen Flüchtlingskrise betroffen sind, das betonen sie ausdrücklich. „Es ist keine Ausstellung über Flucht, sondern über das Ankommen“, sagt Zimmermann. Geschichten, in denen es um Heimat, ums Ankommen, ums Hiersein und um die Zukunft geht.

Mit dabei sind auch Personen, die bereits vor Jahren als Kinder türkischer oder griechischer Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, die vom Krieg in Jugoslawien betroffen waren oder aus anderen politischen oder wirtschaftlichen Gründen geflohen sind. „Es ist niemand dabei gewesen, der sein Land aus reiner Abenteuerlust verlassen hat“, sagt Zimmermann. Viele wären gerne in ihrer Heimat geblieben.

Ayten Sariyildiz hat lange Zeit immer das Gefühl gehabt, nicht zu wissen, wo es hingeht – sie war ein typisches Gastarbeiterkind, wie sie selber sagt. „Das war für uns Kinder sehr anstrengend, da wir nicht wussten, wo wir hingehören. Niemand von uns Kindern wollte zurück in die Türkei“, sagt sie. Heute ist Sariyildiz Schulleiterin der Roland zu Bremen Oberschule. Ihre Erfahrungen von damals will sie weitergeben: „Huchting ist ein lebendiger Stadtteil, ich möchte für die Kinder mit Migrationshintergrund ein Vorbild sein und Mut geben.“

Neben den Bildern der Interviewten werden gelbe Stühle stehen, auf denen die Besucher Platz nehmen können. Sie haben dann die Möglichkeit, über Kopfhörer in die verschiedenen Interviews mit den Geflüchteten reinzuhören. Die Dauer der Gespräche variiert zwischen fünf und 40 Minuten. Die Männer und Frauen, die für das Kunstprojekt ihre Geschichte erzählt haben, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie kommen nicht nur aus völlig verschiedenen Ländern und Situationen, sondern stehen auch an völlig verschiedenen Punkten in ihrem Leben. „Unser jüngster Gesprächspartner war 14 Jahre alt, der älteste 78“, sagt Zimmermann.

Eine Sache hätten aber alle von ihnen gemeinsam, so die Leiterin des Kulturladens. „Alle erinnern sich noch an den Moment des Ankommens“, sagt sie. An den Moment, als sie aus dem Bus oder Zug stiegen, an den Geruch oder die ersten Begegnungen, die ihnen hier widerfahren sind. „Diese Erinnerungen haben sich bei allen eingebrannt“, sagt Zimmermann. Besonders die kleinen Dinge, wie ein Lächeln oder ein freundliches Hallo hätten viele der Befragten während ihrer ersten Monate in Deutschland aufgemuntert. So geht es auch Usman Sabally. Der Jugendliche ist erst seit acht Monaten in Bremen, nachdem er aus Gambia über Italien nach Deutschland geflohen ist. Für die Ausstellung hat er ein kleines Gedicht geschrieben, das dort gezeigt wird.

Die meisten hätten aber auch gesagt, dass eine gute Integration eine Sache von beiden Parteien ist, von denjenigen, die hier neu ankommen und von den Menschen, die schon in Deutschland wohnen. „Etwa 80 Prozent haben angegeben, dass sie sich erst richtig heimisch fühlen konnten, als sie die deutsche Sprache gelernt haben“, sagt Zimmermann. Eine Frau hätte bei dem ­Interview zugegeben, dass sie sich so ohne Sprache wie amputiert gefühlt hätte. Auch Iryna Chystyakova weiß, wie schwer es ­damals für sie war, eine neue Sprache zu ­lernen. „Wir haben uns sehr bemüht Deutsch, zu lernen, aber wir waren nicht mehr jung“, sagt sie. Als sie 1999 aus der Ukraine nach Deutschland kam, war Chystyakova bereits 59 Jahre alt. Kraft gab ihr in schwierigen ­Situationen immer ihre Familie, erzählt sie.

Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 30.September, um 16.30 Uhr in der Unteren Rathaushalle von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Außerdem gibt es musikalische und andere Beiträge von Menschen, die an dem Projekt beteiligt waren. Auch viele der Porträtierten werden anwesend sein. Die Ausstellung ist bis zum 10. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Der Kulturladen Huchting Der Kulturladen Huchting ist eine Stadtteilkultureinrichtung, die in den vergangenen Jahren schwerpunktmäßig stadtteilbezogene interkulturelle und interreligiöse Projekte entwickelt hat. Dazu wurde die Projektreihe „Insan...Mensch“, entwickelt, in der kulturpädagogisch mit Menschen aus anderen Herkunftsländern gearbeitet wird. Ein Ziel dabei ist es, den kulturellen Hintergrund der Migranten als eine Bereicherung des Stadtteils herauszustellen.
„Es ist niemand dabei gewesen, der sein Land aus reiner Abenteuerlust verlassen hat.“ Vera Zimmermann
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+