Altstadt/Neustadt. Da ist eine gehörige Portion Vorstellungskraft gefragt: In der Kreidezeit, also vor 140 Millionen Jahren, als in Norddeutschland tropische Bedingungen herrschten, entstand der Obernkirchner Sandstein. Dinosaurier und andere urzeitliche Lebewesen sind darüber hinweg gezogen und haben zu seiner Entstehung mit beigetragen. Und genau diesen Stein, mit seiner Millionen Jahre alten Geschichte bearbeitet die Steinmetzin und Steinbildhauerin Katja Stelljes in ihrer Werkstatt. Was sie daraus macht, wird am Wochenende auf dem Markt „Finden!“ für feines Handwerk und Design vor und in der Unteren Rathaushalle zu sehen sein.
„Es ist Wahnsinn, was man für Dimensionen berührt“, sagt Katja Stelljes über ihren Werkstoff. Den heimischen Stein bearbeitet sie am liebsten, fertigt daraus Objekte für Haus und Garten ebenso wie massive Schalen und Grabsteine. Dass es nicht immer komplett neu aus dem Steinbruch gehauene Stücke sein müssen, beweisen ihre Objekte, die sie aus entsorgten Grabsteinen fertigt. Wenn Gräber eingeebnet werden, landen die meist sehr schön verzierten alten Grabsteine auf dem Müll. Ihnen nimmt sich Katja Stelljes an, entfernt die Daten der Verstorbenen und gestaltet aus dem Rest einen neuen Grabstein oder ein anderes Objekt. „Wobei für mich wichtig ist, zu zeigen, dass es ein Grabstein gewesen ist.“ Die Vergänglichkeit des Menschen sei allgegenwärtig, während der Stein fortbesteht. „Vergänglichkeit ist ein Thema, mit dem man sich mal auseinandersetzen kann“, sagt die Steinmetzin, die im Ostertor lebt und im Industriegebiet in der Neustadt zusammen mit ihrem Mann eine Bildhauerwerkstatt betreibt.
Einen anderen Aspekt, den sie mit ihrer Arbeit berührt, ist der Wandel der Zeit. Was früher modern war, beispielsweise Reliefs von Schiffen, ist heute längst aus der Mode gekommen. Eher abstrakte Formen oder klare Schriften sind heute näher am Geist der Zeit. Auch dafür ist Sandstein das passende Material. Das versuche sie, mit ihren freien Formen darzustellen. Eigentlich habe der Bildhauer eine Idee im Kopf und versuche, den Stein genau dieser Form anzupassen, sagt sie. Mit ihren freien Formen, abstrakten Körpern, geht Katja Stelljes auf die Beschaffenheit des Steins ein und passt die Form dem Stein an: Luftblasen, Einschlüsse, Risse gilt es zu beachten, zu umgehen, hervorzuheben, einzubeziehen. Herausforderungen gebe es ständig während der Bearbeitung.
Ursprünglich im Alten Fundamt
Die Kunst, aus einem riesigen Brocken Sandstein etwas Wohlgeformtes, Dekoratives herauszumeißeln, ist eine genau solche. Und das sollen die Besucher des Marktes „Finden!“ am Wochenende auch sehen. Nun ist es nicht so einfach, mal eben einen Grabstein oder eine Zentner schwere freie Form in die Rathaushalle zu schaffen. Katja Stelljes wird eher kleinere Objekte mitbringen. Vielleicht auch ein Objekt aus rotem Persischen Travertin. Auch wenn sie eigentlich auf heimische Steine schwört, bei dem Persischen Travertin wird die Steinmetzin auch mal schwach. In der Unteren Rathaushalle erklärt sie Besuchern, warum.
An dem Markt, der zum achten Mal ausgerichtet wird, war Katja Stelljes am Anfang schon einmal beteiligt, als er noch im Alten Fundamt im Steintor abgehalten wurde. Nach einigen Jahren Pause, stieg sie wieder ein und gehört in diesem Jahr zum ersten Mal auch dem Organisationsteam an. Neben ihr stellen 41 weitere Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker aus, etwa ein Drittel davon aus Bremen. Der Rest reist aus ganz Deutschland, beispielsweise aus Passau und Lübeck, an. Es gehe bei dem Markt unter anderem darum, zu zeigen, dass es gutes Kunsthandwerk auch in Bremen gebe, sagt Katje Stelljes. Wer genau sich und seine Werkstücke präsentieren darf, entscheidet eine Jury bestehend aus Frauke von der Haar, Leiterin des Focke-Museums, Rüdiger Tamm, Leiter der Werkakademie für Gestaltung und Design im Handwerk Niedersachsen, und dem dreiköpfigen Organisationsteam aus Katja Stelljes, Frauke Alber und Hans-Hermann Kober. Bei 150 Bewerbungen haben sie in diesem Jahr die Qual der Wahl gehabt. Um das Ausstellerfeld möglichst attraktiv zu halten, sind Kunsthandwerker vielfältiger Gewerke vertreten. Glas, Stein, Keramik und Porzellan, Holz und Metall sind ebenso vertreten wie Textil und Kleidung, Taschen, Schmuck, Puppen und etliches mehr.
In jedem Jahr vergeben die Organisatorinnen und Organisatoren auch eine Greencard für ein neues Talent auf dem Markt, das damit eine Chance bekommt, sich einem breiten Publikum zu zeigen. In diesem Jahr hat sich das Trio für die Schmuckdesignerin Maria Konschake aus Lübeck entschieden, die für ihre Schmuckstücke verschiedene Materialien, wie Kupfer, Silber, Stoff und Holz, verwendet. Den Markt soll es im kommenden Frühjahr wieder geben. Dann soll er sich auch auf den Marktplatz erstrecken, erzählt Katja Stelljes. Damit lasse er ein Stück weit Bremer Geschichte wieder aufleben, denn es sei ganz früher immer so gewesen, dass die Handwerker ihre Produkte genau dort feilgeboten haben.
Jetzt bleibt er aber erst einmal auf die Untere Rathaushalle und den Platz vor deren Eingang beschränkt. Dort werden die 42 Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker am Sonnabend, 20., und Sonntag, 21. April, jeweils von 11 bis 18 Uhr zu finden sein. Eine Ausstellerliste gibt es auf www.finden-bremen.de.