Es war keine Liebesheirat, als SPD und CDU im Juni 1995 die Bildung der ersten Großen Koalition in Bremen besiegelten. Zwar trommelte der designierte Bürgermeister Henning Scherf unentwegt für dieses Modell, doch es waren vor allem politische Zwänge, die die beiden Volksparteien zusammenführten: ein riesiger Schuldenberg, hohe Arbeitslosigkeit, flaue Wirtschaft. Kurze Zeit später ging auch noch der Bremer Vulkan in die Knie. Das Bündnis der beiden Parteien war eher ein Vernunftsakt. Nach dem Motto: Große Probleme erfordern Große Koalitionen.
Die Vorzeichen für die anstehende Bürgerschaftswahl sehen indes anders aus. SPD und CDU laufen auf ein Duell zu, das nach Stand der Dinge einen knappen Ausgang nehmen wird. Man schenkt sich nichts. Das haben die Spitzenkandidaten Carsten Sieling und Carsten Meyer-Heder bei ihrem ersten direkten Aufeinandertreffen schon mal vorgelebt. Der politische Gegner wird scharf attackiert, seine Wahlslogans als Plagiate gebrandmarkt und kleine Gehässigkeiten werden hinter vorgehaltener Hand in Umlauf gebracht.
Dennoch: Nach der Wahl am 26. Mai könnte es auf die Bildung einer Bremen-Groko hinauslaufen. Zumal, falls die CDU vor der SPD durchs Ziel kommt. Denn in Bremen ist es parlamentarischer Brauch, dass die stärkste Fraktion den Auftrag für die Regierungsbildung erhält. Für Meyer-Heder und die CDU ist eine Große Koalition keineswegs das Traumbündnis. Sie schielen vielmehr in Richtung Jamaika.
Auch die Sozialdemokraten haben eine Alternative zur Groko: Rot-Rot-Grün. Sieling hält sich bisher alle Optionen offen. Im Rede-Duell mit Meyer-Heder wurde der Bürgermeister auf das Modell angesprochen – und stockte plötzlich, als hätte er die sprichwörtliche Kröte geschluckt. Grüne und Linke können sich diese Option prinzipiell vorstellen. Jedoch gehen die Linken das Thema offensiv an: SPD und Grüne müssten sich erneuern, auf eine sozialere Politik setzen, wenn es mit Rot-Rot-Grün etwas werden soll.
Schwierig wird es auch bei der Bildung
Ob Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot klappen könnte? Jein. Das erste Problem stellt sich ganz oben. Sieling und Meyer-Heder könnten unterschiedlicher kaum sein. Und beide machen keinen Hehl daraus, dass sie keine Aspiranten für eine gemeinsame Männerfreundschaft sind. Ansonsten ist das Personaltableau ein Pluspunkt für eine mögliche Große Koalition. Die SPD stellt aktuell fünf Senatorinnen und Senatoren, die CDU hat mit Thomas Röwekamp, Jörg Kastendiek und Jens Eckhoff drei Spitzenkräfte mit Senatserfahrung.
Inhaltlich gibt es Trennendes – aber auch Verbindendes. Das heftig diskutierte Thema Galopprennbahn könnte mit dem Volksentscheid am Wahltag aus der Welt sein. Falls nicht, wird es schwierig. Die SPD setzt sich für eine weitgehende Wohnbebauung des Areals ein, die CDU hat sich auf die Seite der Gegner geschlagen. Schwierig wird es auch bei der Bildung. Meyer-Heder will zurück zu Schulnoten ab Klasse drei und die Umsetzung der Inklusion an personelle und räumliche Voraussetzungen koppeln. Sozialdemokraten sträuben sich bei derartigen Forderungen die Nackenhaare. Und was aus SPD-Sicht noch schlimmer ist: Dem Vernehmen nach will die CDU im Falle eines Falles auf das Bildungsressort pochen.
Einen weiteren Zankapfel hat Meyer-Heder geschickt aus dem Weg geräumt. „Wir werden die Gewoba nicht privatisieren“, kündigte er im Duell mit Sieling an und reagierte damit auf eine Kampagne des Bremer CDU-Wirtschaftsrates. Der hatte in einem Papier den „Rückzug des Staates auf seine originären Aufgaben“ gefordert. Auf anderen Feldern – in der Verkehrspolitik, bei Gewerbeflächen oder der Innenstadtsanierung – gibt es hingegen relativ große Schnittmengen zwischen Schwarz und Rot.
Und was will der Wähler? Am meisten Zustimmung bekam in der im Februar veröffentlichten Umfrage des WESER-KURIER eine vierte Runde für Rot-Grün, sie wird von 38 Prozent der Befragten favorisiert. Allerdings: Dieses Modell hat innerhalb eines Jahres satte zwölf Prozentpunkte eingebüßt. Rot-Rot-Grün findet eine 34-prozentige Zustimmung, erst dann folgt mit 32 Prozent eine Groko.
Sollte die CDU bei der Wahl die SPD übertrumpfen, wäre das ein Novum. Und womöglich ein Kuriosum: Die Bildung einer CDU-geführten Großen Koalition in Bremen könnte der Anfang vom Ende der Großen Koalition in Berlin sein.
Die Koalitionsoptionen: Ein linkes Bündnis wurde an dieser Stelle schon kommentiert (9. März). Demnächst lesen Sie eine Analyse zu einem Jamaika-Bündnis in Bremen.