Es gibt Probleme in der Bremer Fußballszene. Linke Ultras kämpfen gegen rechte Hooligans – und mitten drin die Polizei. Und die macht zu wenig, wirft linke und rechte Gruppen in einen Topf, anstatt sich eindeutig gegen rechts zu stellen, so der Vorwurf vieler Fußballfans. Darüber muss gesprochen werden, finden sie.
„Rechte Hooligans und Linke Ultras – Alles Extremisten?“ lautet der Titel der Podiumsdiskussion, zu dem das Fan-Projekt Bremen am Freitagabend eingeladen hatte. Rund 150 Zuhörer sind gekommen, der Ostkurvensaal des Fan-Projekts Bremen ist restlos gefüllt. Auf dem Podium sitzen Polizeipräsident Lutz Müller, Grünen-Politiker Wilko Zicht, Kristina Vogt von den Linken und Rechtsextremismus-Experte Nils Schuhmacher von der Hochschule Esslingen.
Die Stimmung ist gut, aber gespannt. Man erwartet Antworten, vor allem von der Polizei: „Die Frage ist, wie können wir mit den Beamten zukünftig zusammenarbeiten und Zivilcourage stärken?“, will Holger Schönstedt wissen. Er sitzt in der ersten Reihe, hört aufmerksam zu. Er kennt die Fanszene in Bremen genau. Seit 1972 verpasst er kein Heimspiel seines Vereins. Schon in den achtziger Jahren hat er gegen Rechtsextremismus gekämpft. Damals versuchte der Neonazi Michael Kühnen in den Fußballstadien neue Anhänger zu gewinnen. „Wir haben die Nazis gemeinsam mit der Polizei im Zaum gehalten“, sagt Schönstedt. Wenn links gegen rechts vorgegangen sei, „gab es auch was an die Backen“, doch die Polizei habe die linken Fans gewähren lassen. „Das war oft auch gut, denn so konnte die Fanszene sich selbst bereinigen“, meint Schönstedt.
Chronologie der Gewalt unter Werder-Fans
Es gab eine Art von Zusammenarbeit zwischen Fans und Behörden, eine stumme Übereinkunft, sich gegen jede Form von Rechtsextremismus und Rassismus im Bremer Fußball zu zu wehren. Inzwischen ist das anders: „Das Verhältnis zwischen Fans und Polizei ist seit Langem zerrüttet“, sagt der Grünen-Politiker Wilko Zicht. Er engagiert sich für die Rechte von Fans sowie gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball. „Es fehlt das Vertrauen, die Beamten haben keine Akzeptanz in der Szene“, sagt er. Viele der Fans glauben, dass die Polizei verschärft gegen diejenigen vorgeht, „die den Kopf hinhalten und sich den Nazis entgegenstellen“, sagt Zicht. Er bezieht sich dabei auf die Ereignisse vom 19. April diesen Jahres, als es nach dem Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV zu Ausschreitungen kam. Vor dem Lokal „Verdener Eck“ sollen Ultras einen Hooligan angegriffen, ihn mehrfach gegen den Kopf getreten haben. Der 21-jährige Valentin S. sitzt wegen dieses Vorfalls in Untersuchungshaft. Der linke Ultra wird verdächtigt, beim Angriff mit Quarzhandschuhen bewaffnet gewesen zu sein, um so eine höhere Schlagkraft zu haben. Er soll außerdem an zahlreichen weiteren Gewalttaten beteiligt gewesen sein.
Es ist besonders dieses Ereignis, das an diesem Abend kontrovers und emotional diskutiert wird. Einige Fans sind enttäuscht, andere wütend, andere haben resigniert. Antworten werden verlangt: „Warum können linke Ultras einfach inhaftiert werden, Nazis aber nicht?“, heißt es aus dem Publikum. „Wird in Bremen mit zweierlei Maß gemessen?“, lautet eine andere Frage. „Und welche Unterstützung bekommen denn Menschen vom Staat, wenn sie sich öffentlich gegen Nazis stellen?“, wird gefragt.
Polizeipräsidenten Lutz Müller stellt sich all den direkten und indirekten Vorwürfen: „Nur weil jetzt ein linker Straftäter sitzt, kann es nicht heißen, dass wir auf dem rechten Auge blind sind“, sagt er. Die Polizei könne nur handeln, wenn eine Straftat vorliege. „Wir können das Recht nicht beugen, wir brauchen Begründungen und Beweise.“ Und die gebe es derzeit gegen den inhaftierten Valentin S., auch wenn er links motiviert sei.

Polizeipräsident Lutz Müller stellt sich Fragen und Vorwürfen des Publikums.
„Links und rechts darf nicht gleichgesetzt werden, das ist gerade jetzt, angesichts von Pegida und dem Flüchtlingsthema wichtig“, sagt Kristina Vogt, Linken-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft. Sie hat knapp 40 Fragen gesammelt, die sie dem Senat noch in dieser Legislaturperiode stellen will. „Die rechten Gruppen versuchen hier Fuß zu fassen, und der Innensenator verharmlost das“, sagt sie.
Im Moment sind die rechten Hooligans und Neonazis im Fanblock nicht offensichtlich aktiv. Denn seit dem 2007 eine Gruppe linker Ultras im Ostkurvensaal angriffen wurde, gehen Verein und Fans noch stärker gegen Rechtsextremisten vor. Aber sie sind da, das wissen die Anwesenden – spätestens nach dieser Diskussion. Der Wunsch bei Politikern, Polizei und Publikum: Mehr solcher Gespräche, gern auch mit Beteiligung des Innenressorts.