Niedersachsen plant zusätzliche verkaufsoffene Sonntage. Das Bundesland will Unternehmern an vier weiteren Tagen in diesem Jahr erlauben, die Geschäfte zu öffnen. Das bestätigt das niedersächsische Wirtschaftsministerium dem WESER-KURIER. Die Maßnahme sei eine Reaktion auf die Corona-Krise. „Der Einzelhandel hat während des Lockdown enorme Umsatzeinbußen hinnehmen müssen“, sagt Ministeriumssprecher Eike Frenzel, „die verkaufsoffenen Sonntage sollen helfen, die Verluste etwas zu kompensieren.“ Ob Bremen dem niedersächsischen Beispiel folgt, ist noch unklar.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ Länder und Kommunen aufgefordert, Unternehmen die Chance zu geben, ihre verlorenen Umsätze aufzufangen. Altmaier hob die Möglichkeit hervor, „ausgefallene verkaufsoffene Sonntage nachzuholen“. Als erstes Bundesland hat Niedersachsen das nun vor. Die vier geplanten Sonntage sollen – anders als sonst – nicht an einen Anlass geknüpft sein. Stattdessen will Niedersachsen den Kommunen die Entscheidung überlassen, an welchen Sonntagen die Geschäfte öffnen dürfen. Die Regelung soll zwischen August bis November gelten, heißt es. Ausgenommen seien die Adventssonntage, an denen die Läden geschlossen bleiben müssten.
Die Handelskammer fordert zusätzliche verkaufsoffene Sonntage auch für Bremen. „Wir hoffen auf ein einheitliches Vorgehen gemeinsam mit Niedersachsen statt Insellösungen“, sagt Karsten Nowak, Einzelhandelsexperte der Handelskammer. „Der Bremer Handel braucht diese Sonntage, er ist auf diese Chance angewiesen.“ Damit sich die Maßnahme für die Händler lohne, sollten die Termine allerdings nicht in den Sommer, sondern ins letzte Quartal des Jahres fallen.
Das sieht auch Monika Mehrtens so. Die Chefin des Bremer Weserparks hofft auf verkaufsoffene Sonntage vor Weihnachten. „Noch halten sich die Leute sehr zurück“, sagt Mehrtens. Kurzarbeit und wirtschaftliche Ungewissheit hemmten die Kauflust der Kunden. In den Monaten vor Weihnachten werde sich das ändern, mutmaßt Mehrtens, dann dürfte das Geschäft besser laufen. Damit der Handel dann profitieren könne, brauche es die verkaufsoffenen Sonntage. „Alle reden ständig davon, wie schlecht es dem Einzelhandel in der Corona-Krise geht, damit allein ist aber niemandem geholfen“, sagt die Weserpark-Chefin, „es müssen auch Maßnahmen her, die uns weiterbringen.“
Beschäftigten nicht noch stärker belasten
Die Bremer Wirtschaftsbehörde betont, sie wolle auf die Folgen der Pandemie „flexibel und unbürokratisch“ reagieren und den Einzelhandel dabei unterstützen, verlorene Umsätze nachzuholen. Ob verkaufsoffene Sonntage dafür der richtige Weg sind, lässt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) offen. „Wir müssen darauf achten, dass die Beschäftigten im Einzelhandel, die in den vergangenen Wochen Unglaubliches geleistet haben, nicht noch stärker belastet werden“, sagt Vogt. Neue Modelle für Öffnungszeiten müssten gemeinsam mit den Betriebsräten und Gewerkschaften entwickelt werden, „um die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu wahren“, sagt Vogt.
Die Gewerkschaft Verdi spricht sich gegen zusätzliche verkaufsoffene Sonntage in Bremen und Niedersachsen aus. „Wir sehen den Nutzen nicht“, sagt Sprecher Matthias Büschking, „verkaufsoffene Sonntage werden die Probleme des inhabergeführten Einzelhandels nicht lösen“. Stattdessen müsse man den Händlern etwa mit regionalen Vermarktungsplattformen im Internet helfen, um gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können.
Kritik kommt auch von den Kirchen. Der Leiter des Katholischen Büros in Bremen, Propst Bernhard Stecker, warnt davor, Geschäfte an zusätzlichen Sonntagen zu öffnen, um den Einzelhandel zu stärken. „Der arbeitsfreie Sonntag ist eine wertvolle Errungenschaft der Gesellschaft“, sagt Stecker, „es besteht die Gefahr, dass er auf diesem Weg ausgehöhlt wird“.
Pastor Bernd Kuschnerus, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, zweifelt an der Wirksamkeit der Maßnahme. „Wie soll der Handel Verluste ausgleichen, wenn die Menschen durch Corona ohnehin weniger Geld in der Tasche haben? Doppelt ausgeben können sie es ja nicht“, sagt Kuschnerus. „Wer den örtlichen Einzelhandel stärken will, sollte, anstatt noch mehr verkaufsoffene Sonntage zu fordern, endlich die Online-Riesen gerecht besteuern.“