Er hat sich für das neue Wahlrecht unglaublich starkgemacht, hat Unterschriften gesammelt und sich im Verein "Mehr Demokratie" engagiert. Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft hat Jan Saffe aus dem Steintor dann auch mit am meisten vom neuen Wahlrecht profitiert. Vom Listenplatz 48 hat er es mit mehr als 1000 Stimmen ins Landesparlament geschafft. Der Nachrücker für die Grünen ist als Halbtagsabgeordneter jetzt über 100 Tage dabei und zieht eine erste Bilanz.
Von Liane Janz
Altstadt·Östliche Vorstadt. Nach Verkündung des Wahlergebnisses ist Jan Saffe als Erstes aufgefallen, dass einige Menschen, die er seit Längerem kennt, anders auf ihn reagieren. Viele grüßen ihn jetzt mit "Hallo, Herr Abgeordneter" oder so ähnlich. "Dabei komme ich mir gar nicht anders vor", sagt Jan Saffe.
Nach wie vor steht er im Bauernladen der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft (EVG) beim Paulskloster hinter der Theke und macht auf dem Ökomarkt im Steintor auch weiterhin noch Werbung für die Elektrizitätswerke Schönau, die Energie aus erneuerbaren Ressourcen anbieten.
Im Laden und auf dem Markt engagiert er sich ehrenamtlich, und dort kommt er mit den Menschen des Quartiers ins Gespräch. Das sei ihm sehr wichtig, betont er. "Ich will für die Menschen weiterhin ansprechbar bleiben." Die Zeit auf dem Markt und im Laden sei zudem wichtig für ihn, um geerdet zu bleiben. "Die Leute sollen nicht denken, ich hätte das nicht mehr nötig."
Und doch ist etwas anders geworden: Als Sprecher für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit ist der Abgeordnete Jan Saffe häufig in den Sitzungen des Umwelt-, Bau- und Verkehrsressorts anzutreffen. Dieses Ressort hätte mit seinen Arbeitsbereichen die größten Schnittstellen. Über Verkehrsprobleme begann der in der Nähe von Hamburg geborene Jan Saffe verstärkt nachzudenken, als er vor über 25 Jahren nach Bremen gezogen ist. Damals hatte er noch ein Auto. Dann fiel ihm aber auf, dass er den Wagen in Bremen gar nicht brauchte. "Das Auto stand sechs Wochen oder länger einfach nur rum."
1986 hat Jan Saffe den Wagen abgeschafft. Seitdem läuft er, fährt Fahrrad oder macht Carsharing. "Das war auch die Zeit von Tschernobyl", sagt er. "Das hat viel verändert." Mitglied der Grünen wurde Jan Saffe aber erst 2001, "und das auch eher passiv". Schlechte Voraussetzung für die Wahl ins Landesparlament nach dem alten Wahlrecht.
Nach den Wahlen im Mai dieses Jahres gab es Gespräche in den Parteien, wie die Posten verteilt werden. Jan Saffe hat sich dafür stark gemacht, die Bereiche Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit bearbeiten zu dürfen. Allerdings ist er ohne feste Zielsetzung in die Bürgerschaft gezogen. "Ich wollte erst einmal sehen, wie es dort läuft, und lernen, wie man die Instrumente handhabt und wie bestimmte Sprachregelungen funktionieren", sagt er. Noch immer habe er nicht alles durchschaut und komme sich stellenweise wie ein Praktikant vor. Ein Mitarbeiter aus dem Büro der Bremer Grünen greift ihm hier und dort unter die Arme.
Längere Prozesse
"Ich lerne, dass die Spielregeln andere sind, als in Initiativen", sagt der grün-alternative Polititiker. Die Prozesse bis zur Umsetzung einer Idee sind bedeutend länger und es sind vorgeschriebene und nötige Schritte einzuhalten. "Aber wenn man mit einer Sache durchkommt, hat sie mehr Gewicht." Manchmal ist er sogar begeistert, welche Instrumente er nun nutzen kann. "Da gibt es tolle Sachen", sagt Jan Saffe. "Ich kann Berichte anfordern oder Akteneinsicht verlangen."
Einen Bericht hat er zum Beispiel verlangt, um Auskunft über die faire Beschaffung in Bremen zu bekommen. Er hat das Papier erhalten. "Aber dabei ging es um Kopierer, Papier und die Schürzen der Reinigungskräfte. Damit war ich nicht zufrieden und hab einen neuen Bericht angefordert", erzählt der Abgeordnete. Momentan sammelt er Informationen darüber, in welchem Maße die Waren und Güter in der "Hauptstadt des fairen Handels" Bremen tatsächlich fair beschafft werden.
Dazu gehört auch die Lebensmittelbeschaffung an öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen, Schulmensen oder Kitas. Derzeit versucht er herauszubekommen, wie viel des dort verarbeiteten Fleisches beispielsweise aus Massentierhaltung stammt. Kinder sollten seiner Meinung nach früh lernen, sich mit der Herkunft ihres Essens zu beschäftigen.
Bei all der Begeisterung hat Engagement in der Bürgerschaft auch Grenzen. In vielen Belangen müssen sich die Abgeordneten an das halten, was im Koalitionsvertrag steht, und treffen dann auch mal nicht ganz so grüne Entscheidungen. Trotzdem - und auch wenn Jan Saffe mit der Wahl in die Bürgerschaft beruflich nun auf mehreren Hochzeiten tanzt - ist der grüne Abgeordnete glücklich, den Schritt getan und sich zur Wahl gestellt zu haben: "Es ist eine Chance, mit 51 noch mal ein neues Kapitel aufschlagen zu können und aus seinem Trott herauszukommen."