Die Bremer Bamf-Affäre zieht Kreise und bringt nun die Staatsanwaltschaft in Schwierigkeiten. Gegen vier Vertreter der Behörde, darunter deren Chef Janhenning Kuhn, laufen Ermittlungen wegen des Verdachts, Interna verraten zu haben. Sie sollen einen Journalisten mit Informationen über die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) versorgt haben. Das Hintergrundgespräch mit dem Mitarbeiter von „Zeit online“ fand im März 2019 statt, ein halbes Jahr später hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die ehemalige Bamf-Amtsleiterin erhoben. Im April dieses Jahres ist das Verfahren vom Landgericht gegen Zahlung einer Geldauflage von 10.000 Euro eingestellt worden. Die Anklage war förmlich in sich zusammengebrochen. Vom Vorwurf, systematisch das Asylrecht missbraucht zu haben, um Flüchtlingen in Deutschland den Aufenthalt zu sichern, blieb nichts übrig.
In dem Artikel bei „Zeit-online“ waren Einschätzungen über das Privatleben der beschuldigten Regierungsdirektorin enthalten. Als Quelle wurde die Bremer Staatsanwaltschaft angegeben. Der Anwalt der Frau erstattete Strafanzeige wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen. Außerdem zog er vor das Verwaltungsgericht, um die Äußerungen über seine Mandantin verbieten zu lassen, und er hatte Erfolg damit. „Die Äußerungen überschreiten die Grenzen staatsanwaltschaftlicher Befugnisse gegenüber der Presse“, hieß im Mai 2019 in dem Gerichtsbeschluss. Es sei darum gegangen, von der Ex-Bamf-Chefin „ein ehrenrühriges Bild“ zu zeichnen.
Wie und ob überhaupt der Vorgang von strafrechtlicher Relevanz ist, überprüft seit zwei Wochen nicht mehr die Staatsanwaltschaft, sondern ihre vorgesetzte Behörde. „Wir haben entschieden, das Ermittlungsverfahren an uns zu ziehen“, erklärte am Montag Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer.
Vorangegangen waren eigene Recherchen der nachgeordneten Behörde, die mal eingestellt, mal wieder aufgenommen wurden. Es gab zwei Jahre lang ein regelrechtes Pingpong zwischen Staatsanwaltschaft und Innerer Revision. Dass Graalmann-Scheerer nun zuständig ist, hat nach ihrer Darstellung nichts mit der bisherigen Ermittlungsarbeit in dem Fall zu tun. „Maßgeblich ist der Kreis der Beschuldigten“, so die Generalstaatsanwältin. Neben dem Behördenleiter Kuhn sind das zwei Oberstaatsanwälte, darunter der Pressesprecher der Behörde, und ein Staatsanwalt, der damals als Dezernent für das Bamf-Verfahren zuständig war und Bremen mittlerweile wegen einer anderen Verwendung verlassen hat.
Noch wird geschwiegen
Dass die Generalstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren an sich ziehe, komme extrem selten vor, sagte Graalmann-Scheerer. Ihre Behörde werde versuchen, den Sachverhalt weiter aufzuklären, und zwar in allen Richtungen. Auf viel Kooperation darf sie dabei offenbar nicht hoffen: Zwei der vier Beschuldigten haben bereits von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Aussage zu verweigern. Bei den anderen beiden sei das noch offen, erklärte die Generalstaatsanwältin. Der Journalist habe sich entschieden, ebenfalls nichts von dem Hintergrundgespräch im März 2019 preiszugeben. Vor ein paar Tagen seien aber zwei weitere Zeugen aufgetaucht, „da bin ich zuversichtlich, dass sie zur Aussage bereit sind“.
Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, reagiert empört auf die neue Entwicklung: „Die Vorgänge entwickeln sich immer mehr zu einem handfesten Justizskandal.“ Wenn der Leiter und der Sprecher der Staatsanwaltschaft sowie zwei weitere Staatsanwälte rechtswidrige Aussagen über eine Beschuldigte verbreiten, hätten sie nicht nur ein fehlgeleitetes Rechtsverständnis. „Sie erschüttern auch das Vertrauen in den Rechtsstaat, denn offensichtlich kann man sich nicht immer auf faire Ermittlungen verlassen“, erklärte Leonidakis.