Inge Danielzick wurde am Dienstagabend zur Bremer Frau des Jahres gekürt. Die 58-Jährige leitet die Abteilung Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Bremischen Evangelischen Kirche.
"Bremer Frau des Jahres“ – ein großes Wort, ein Titel sogar. Als Inge Danielzick erfahren hat, dass sie ihn künftig tragen darf, dass sie am 8. März im Rathaus auf diese Weise geehrt wird, ist sie nachdenklich geworden. „Es gibt so viele tolle Frauen in Bremen, warum ich?“, ist eine der Fragen, die sich die 58-Jährige stellt. Eine andere: „Wie bin ich geworden, wer ich bin?“
Seit 2007 leitet Inge Danielzick die Abteilung Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt bei der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Doch diese Funktion allein beschreibt sie noch zu wenig. Viel besser nähert man sich ihr über das Motto des diesjährigen Internationalen Frauentags in Bremen, das auch die Suche nach der Bremer Frau des Jahres 2015 bestimmt hat. „Stark, stolz, stur“ – die gelernte Erzieherin nickt. „Ich bin konfliktwillig. Nicht immer haben es alle leicht mit mir“, räumt sie munter ein. „Ich liebe Konflikte nicht, aber ich finde sie wichtig.“ Punktum.
Das deckt sich mit der Schilderung ihrer Vorzüge, mit denen die Initiatoren ihrer Bewerbung sie für die Ehrung vorgeschlagen haben. Sie hoben hervor, dass „sie sich nicht verbiegt und große Erfahrung mit Durststrecken hat. Sie wird als kreativ, kommunikativ und wissend beschrieben, „sie vermag gegen den Mainstream zu schwimmen“.
Wer mehr aus der Lebensgeschichte der frisch Geehrten hört, kann sich sagen: Das passt alles zusammen. Ihre Eltern, so berichtet sie, gelangten in der späten Nachkriegszeit aus der DDR über Berlin nach Wilhelmshaven, wo sie sich mit einer Gärtnerei selbstständig machten. „Ich wurde in eine richtig traumatisierte Familie hineingeboren“, sagt sie. Der Vater war in Ostpreußen aufgewachsen und musste während des Zweiten Weltkrieges die Heimat verlassen. In der Nähe von Berlin traf er auf seine spätere Frau, deren Familie dort eine Gärtnerei betrieb. Harte Arbeit. Ihre Mutter – nach Inge Danielzicks Wahrnehmung „eine ziemlich resolute Person“ – stammte aus Berlin und hatte eine Ausbildung an der Charité gemacht. „In unserer Familie waren die Frauen immer berufstätig“, sagt die Preisträgerin.
Das hat Inge Danielzick offenbar geprägt. Auch der Wunsch, unabhängig zu werden, für sich selbst sorgen zu können. In der politischen evangelischen Jugend engagierte sie sich früh, nahm an deren Freizeiten teil. Nach dem Schulabschluss machte sie zunächst eine Erzieherinnenausbildung und begann nach dem parallel absolvierten Fachabitur ein Studium an der Hochschule in Bremen. Das wurde ebenfalls eine sehr politische Lebensphase mit Demonstrationen auf Straßenbahnschienen und guten Kenntnissen im Marxismus. Ihre Vorstellung von der Zukunft damals bringt sie in Verbindung mit der harten Arbeit in der Gärtnerei: „Ich wollte ein geregeltes Einkommen und abhängig beschäftigt sein.“ Ein „Dienst nach Vorschrift“ sollte es aber nicht werden. „Durch Zufall“ stellte das Anerkennungsjahr die Weichen. Danielzick landete im Evangelischen Bildungswerk. Und der Arbeitgeber sollte sie im Großen und Ganzen in den folgenden Jahrzehnten begleiten. In der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Huchting fand sie über lange Zeit eine berufliche Heimat, machte sich für die Frauenbildungsarbeit stark, schuf unter anderem eine Gruppe für Alleinerziehende.
Dieses Thema treibt Inge Danielzick heute noch um. „Es gibt 9500 Frauen in Bremen, die alleinerziehend und hilfebedürftig sind. Die müssen wir erreichen“, sagt sie. Ein Instrument dafür ist ihrer Meinung nach das Projekt „Paula+“, mit dem die Initiatoren alleinerziehende Mütter in Bremen vernetzen wollen. Der engagierten Sozialarbeiterin und Beraterin gehen ein paar Fragen nicht mehr aus dem Kopf: Wer sind diese Frauen? Warum leben sie, wie sie leben? Eine Untersuchung sei dringend nötig, um dann passgenaue, individuelle Angebote für diese Frauen zu entwickeln. Es gehe darum, sie zu coachen, aus den Alltagssituationen hinaus- und in neue Zusammenhänge, in Arbeit und Kontakte hineinzubringen.
Keine Frage, Inge Danielzick ist eine Macherin. Die Grenzen zwischen Beruf und freiwilligem Engagement sind fließend. Gibt es eine Idee, sucht sie Wege, sie umzusetzen. „Im Team. Ich liebe es, in der Gruppe Projekte anzuschieben“, sagt sie voller Leidenschaft. So zählt sie sich zu den Initiatoren der ersten Bremer Armutskonferenz, hat das Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“ mit angeschoben, wie sie sagt. Eine ganze Reihe anderer Projekte ließen sich noch aufzählen, denn „ich steige dann auch gern mal nach ein paar Jahren aus und mache was Neues“. Stolz ist die 58-Jährige darauf, die Ausgliederung der bei der Kirche beschäftigten Reinigungskräfte verhindert zu haben. Die Würdigung jetzt nimmt sie auch in einer Art Stellvertreterrolle an: „Für die evangelischen Frauen insgesamt ist es toll, dass eine von ihnen geehrt wird.“
Sie wird weiterarbeiten für benachteiligte Menschen, vor allem für Frauen. „Ich glaube, ich brauche alle Naselang neue Herausforderungen“, sagt die Mutter zweier erwachsener Töchter. „Das Beste ist, wenn man etwas anschiebt, und es geht allein weiter.“ Dass diese eines Tages nicht mehr kommen könnten, fürchtet Inge Danielzick nicht: „Ich glaube, mir laufen diese Dinge einfach zu.“