„Natur und Abstraktion – geht das überhaupt zusammen?“, fragt Katja Pourshirazi, Leiterin des Overbeck-Museums, eingangs ihrer Rede zur Eröffnung der Ausstellung mit Bildern von Vera Schöttler und Mirco Götz.
Es geht, wie die Ausstellung beweist. Farbintensive, von der Natur inspirierte, abstrakte Bilder der Künstlerin und Singvögel in einem Raum dominanter Flächen des Künstlers loten die Grenzen zwischen Natur und Abstraktion aus.
Zwei Vögel, Rotkehlchen ähnlich, hängen an zwei Futterknödeln. Auf einem anderen Bild sind vier Blaumeisen dargestellt, alle in die gleiche Richtung schauend. Die Landschaft in beiden Werken scheint verschwunden, keine Bäume, Sträucher, Häuser – nur zwei Flächen unterteilen die Bilder, dies allerdings sehr dominant, manchmal in grau und weiß, dann wieder farbig, aber auch hier wie von Nebel oder Schnee gedämpft.
Vor acht Jahren habe er das Thema Vögel für sich entwickelt, erzählt Mirco Götz. „Ich war auf der Suche nach einem greifbaren Thema, und die Vögel waren noch nicht besetzt.“ So habe er den Tieren zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet. „Sie sind oft in unserer Gegenwart, werden aber häufig nicht beachtet und nur nebenbei wahrgenommen. Ich wollte den Blick dahin lenken“, sagt der studierte Pädagoge. Zwar habe er die Landschaft einbeziehen wollen, aber nur als flächige Aussage. Nur wenigen seiner Bilder hat er mehr hinzugefügt, gelegentlich mal einen Baumstamm, auf dem ein Vogel sitzt.
Die Tiere selbst sind keine naturgetreue Wiedergabe von Zaunkönig und Co. „Um in der Freiheit der Malerei zu bleiben“, so Götz. So wirken die Darstellungen häufig surreal und einen Hauch mystisch, verträumt und poetisch. Konturen verschwimmen. Manche Bilder hat der 39-Jährige zusätzlich mit einem Kamm bearbeitet oder mit einem Messer Farbe weggekratzt und andere Farbe darübergezogen. Und manchmal verläuft die Farbe in die Fläche. „Die Bilder müssen schon etwas aushalten“, gesteht der Künstler.
Bei der Natur wisse man doch, woran man sei, sagt Katja Pourshirazi. Das Abstrakte löse irritierte, manchmal missmutige Fragen in uns aus. Abstraktion beunruhige uns. „Aus einem einfachen Grund: Wir haben keinen Namen für das, was wir sehen.“ Sonst gebe es immer eine Schublade, in der wir das, was wir sehen, einsortieren könnten. Wenn wir keine Worte für das, was wir sehen, fänden, suchten wir nach Orientierung. „Und die finden wir in der Natur“, so die Museums-Leiterin. „Ein abstraktes Bild zeigt blaue, geschwungene Linien? Wir sehen Wasser. Ein Bild wird in der Mitte durch eine waagerechte Linie geteilt? Ein Horizont.“ Wir könnten nicht anders, als auch den abstrakten Dingen einen Namen zu geben. Natur und Abstraktion seien zwei Seiten derselben Medaille und das eine ohne das andere nicht zu denken.
„Aus den Formen, Farben und Stimmungen der Natur schöpfen die Künstler – und übersetzen diese dann in ihre eigene, unverwechselbare, oft genug abstrakte Bildersprache“, erklärt Katja Pourshirazi. „Besonders deutlich wird das dort, wo Gegenständliches und Abstraktes einander nicht ausschließen, sondern sich berühren und ergänzen. Wie in den Werken von Mirco Götz und Vera Schöttler. Blumen, Lichteindrücke oder auch Strandgut bildeten einen zentralen Ausgangspunkt für die Arbeiten der Bremerin.
Kräftige Farben dominieren häufig ihre Arbeiten, grelles Gelb, knalliges Rot, ein aus vorwiegend blauen und grünen Tönen getupftes „Weltall“ in einer anderen Arbeit. Einige Collagen (Aquarell/Öl) präsentieren Strandgut oder großformatige, in der Auflösung begriffene Früchte. In einem andern Bild plustern sich Grüntöne, mal geballt, mal gesprenkelt. Eine Feder wölbt sich über einen zitronengelben Ball. Assoziation: die Sonne?
Die Ausstellung „Natur und Abstraktion“ mit Werken von Vera Schöttler und Mirco Götz zeigt das Overbeck-Museum bis zum 3. April. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. Montags bleibt das Museum geschlossen. Der Eintritt kostet vier Euro (ermäßigt drei). Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Am Sonntag, 7. Februar, findet um 11.30 Uhr ein Künstlergespräch mit Vera Schöttler statt, am Sonntag, 21. Februar, ebenfalls um 11.30 Uhr, ein Künstlergespräch mit Mirco Götz. Katja Pourshirazi führt am Sonntag, 13. März, sowie am Sonntag, 3. April, jeweils um 11.30 Uhr durch die Ausstellung.
Im Anschluss an die Finissage am 3. April ist eine Benefiz-Kunst-Auktion zugunsten der museumspädagogischen Arbeit des Overbeck-Museums geplant. Gemeint sind Angebote für Schulklassen, unter anderem auch für solche, in denen die Kinder selten oder nie ins Museum gehen, weil die Eltern den Eintritt nicht bezahlen können. „Diesen Kindern möchten wir etwas bieten – sie sollen hier Kunst erleben und auch selber malen dürfen“, beschreibt Katja Pourshirazi den Grund für die Aktion. Dafür wird ab 12.30 Uhr je ein Werk von Mirco Götz und Vera Schöttler versteigert. Alle Sonntagsführungen können auch mit einem Frühstück vorab oder mit Kaffee und Kuchen im Anschluss im Café Erlesenes kombiniert werden.