Wer in Bremen Richter oder Staatsanwalt werden will, soll sich künftig einem Verfahren zur Überprüfung seiner Verfassungstreue stellen. Diese Absicht verfolgt das Justizressort. Das hat Staatsrat Björn Tschöpe dem WESER-KURIER auf Anfrage bestätigt. Die notwendigen Änderungen des Bremischen Richtergesetzes und des Beamtengesetzes sollen zunächst mit den betroffenen Berufsverbänden und Gewerkschaften erörtert werden. Die Behörde reagiert mit ihrem Vorstoß nach eigener Darstellung auf das Erstarken extremistischer Strömungen in der Bevölkerung. Aktuell gebe es zwar keine Hinweise auf Fälle verfassungsfeindlicher Betätigung in der aktiven Richterschaft.
Damit dort und in der Staatsanwaltschaft aber auch künftig nur Personen tätig sind, die sich zum freiheitlichen Rechtsstaat bekennen, will das Haus von Senatorin Claudia Schilling (SPD) das Einstellungsverfahren ergänzen. Konkret ist eine sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung vorgesehen. Sie würde im Wesentlichen aus einer Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz, einer Überprüfung möglicher Einträge im Bundeszentralregister und einer Internetrecherche bestehen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen in eine „Gesamtwürdigung“ einfließen, beschreibt Björn Tschöpe die geplante Praxis.
Bei der Polizei ist es jetzt schon üblich, dass Bewerber vor ihrer Einstellung ins Beamtenverhältnis per Regelanfrage beim Verfassungsschutz politisch durchleuchtet werden. Auch mit Fragebögen und mündlichen Prüfungen wird versucht, den Polizeidienstanwärtern auf den Zahn zu fühlen. Nach Angaben der Innenbehörde führten solche Recherchen im vergangenen Jahr in einem Fall dazu, einen Bewerber für den Polizeidienst abzulehnen. Aktuell befindet sich eine Änderung des Bremischen Polizeigesetzes im Gesetzgebungsverfahren. Sie sieht vor, dass anlassbezogen auch bei bereits aktiven Polizisten eine Prüfung der Verfassungstreue stattfinden kann.
Gerade diese Ergänzung des Polizeigesetzes hat laut Staatsrat Tschöpe dazu geführt, dass sich jetzt auch das Justizressort entsprechende Gedanken für seinen Zuständigkeitsbereich macht. „Wenn man bei Polizeibeamten genauer hinschaut, dann ist es nur logisch, dass man dies auch bei Staatsanwälten und Richtern tut“, findet Tschöpe. „Schließlich ergibt sich aus einem Jurastudium nicht zwangsläufig, dass jemand ein ausgewiesener Verfassungsfreund ist.“
Bremischer Richterbund skeptisch gegenüber Bestrebungen
Gut möglich, dass die Pläne der Behörde eine kontroverse Diskussion auslösen. Kritiker könnten sich an die Zeiten des Radikalenerlasses erinnert fühlen, als in den Siebzigerjahren reihenweise mutmaßliche Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst entfernt wurden, auch außerhalb sicherheitsrelevanter Bereiche. Der Lokomotivführer mit DKP-Parteibuch hatte damals einen schweren Stand. „Aber das ist es ja gerade, was unsere Absichten von der damaligen Praxis unterscheidet“, argumentiert Tschöpe. „Wir wollen keine Überprüfungen auf breiter Front.“ Wohl aber dort, wo Funktionsträger der Justiz über das Wohl und Wehe von Menschen entscheiden. Wer beispielsweise als sogenannter Reichsbürger aggressiv-kämpferisch gegen den Staat auftritt, könne schlecht Funktionen in der Justiz übernehmen.
Beim Bremischen Richterbund sieht man die Bestrebungen der Behörde mit einer gewissen Skepsis. Zwar sei grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Justiz gegen Unterwanderung durch Extremisten geschützt werden soll. Aber gibt es aktuell wirklich ein Erfordernis für Regelanfragen beim Verfassungsschutz? Der Vorsitzende des Bremischen Richterbundes, Andreas Helberg, hat da so seine Zweifel. Am meisten stört ihn aber, „dass der Vorstoß zu kurz greift“. Schaue man über die deutschen Grenzen, dann werde klar, dass Gefahren für die „Sturmfestigkeit“ der Justiz derzeit eher von staatlicher Seite ausgehen. Etwa in Ländern mit populistischen Regierungen, die durch gezielte Personalpolitik den Justizapparat umkrempeln und sich so die dritte Gewalt untertan machen.
Auch in Bremen gebe es ein antiquiertes Richtergesetz, das die alleinige Befugnis zur Ernennung und Beförderung von Richtern der Behördenspitze zuweist. Zwar existierten Auswahlausschüsse, die mit Vertretern von Gerichten und der Justizbehörde besetzt seien und eine Vorprüfung der Kandidaten vornehmen. Doch an die Empfehlungen dieser Gremien sei ein Justizsenator nicht gebunden. Die gegenwärtigen Strukturen ermöglichten deshalb ein „Durchregieren“ von oben. Dies sei eine handfestere Gefahr für die unabhängige Gerichtsbarkeit als eine mögliche Unterwanderung durch Extremisten, glaubt der Vorsitzende des Bremischen Richterbundes.