Niedersachsen rüstet im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK) personell kräftig auf. Ins Visier nimmt die Polizei dabei auch verstärkt die kriminellen Familienclans, bei denen sie „im Bereich Bremen“ eine Hochburg sieht. Das Land schafft noch in diesem Jahr beim Landeskriminalamt (LKA) und den Polizeidirektionen 27 neue Spezialisten-Stellen, um vor allem den internationalen und zunehmend auch digitalen Strukturen sowie den Geldströmen der Verbrecherbanden auf die Schliche zu kommen.
Dazu will die Polizei auch sieben Finanzexperten wie Betriebswirtschaftler oder Wirtschaftsinformatiker von außen holen. Die Staatsanwaltschaft bekommt neun zusätzliche Ermittler zum Aufbau von Schwerpunktdezernaten, die vor allem Wohnungseinbrüche konsequent verfolgen sollen. „Wir müssen die OK insbesondere dort bekämpfen, wo sie die Bürger direkt betrifft, nämlich in den eigenen vier Wänden“, betonte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) am Montag in Hannover.
„Die Organisierte Kriminalität steht für ein hohes Schadens- und Bedrohungspotenzial, dem wir uns offensiv stellen müssen“, erklärte Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD). „Wir müssen auf Schlagdistanz bleiben, damit wir nicht mit dem Fahrrad dem Porsche hinterherfahren.“ Die Zahl der OK-Ermittlungskomplexe in Niedersachsen sank 2017 allerdings auf 61 gegenüber 66 im Vorjahr.
Die durch von Banden verursachten Schäden verringerten sich sogar um 73 Prozent: von 18 Millionen auf 4,87 Millionen Euro. Einen Grund sah Landespolizeipräsident Axel Brockmann im Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen. Für Entwarnung besteht laut Innenministerium aber kein Anlass.
Zum einen sei bei diesen Delikten die Aufklärungsquote mit nur 25 Prozent extrem gering, zum anderen agierten die Banden abgeschottet, sodass die wahren Schadenssummen oft nicht sichtbar würden. Einen Schwerpunkt der OK bildeten Handel und Schmuggel mit Drogen mit 29 Verfahren. Laut Innenressort in Hannover gibt es hier nicht nur Verbindungen zu Rockerklubs, in acht Komplexen mischten 73 Angehörige krimineller Großfamilien mit.
Bedrohungspotenzial in Bremen ebenfalls hoch
Eines dieser Verfahren betrifft die Polizeidirektion Oldenburg. Die Beamten dort tauschen sich intensiv mit Bremen aus. „Seit Jahren besteht eine ganz enge Zusammenarbeit mit der Polizei Bremen“, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme dem WESER-KURIER: „Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil wir im Bremer Umland – insbesondere was Clan-Kriminalität anbetrifft – einen geografischen Schwerpunkt haben.“
Seit März gilt für Niedersachsens Polizei eine amtliche „Null-Toleranz“-Strategie gegen verbrecherische Familienbanden. Die „Rahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen“ legt die Hürden für ein Einschreiten sehr niedrig an, um bereits gegen Straftaten unterhalb der OK-Schwelle wirksam vorzugehen. Auch in Bremen werde das Bedrohungspotenzial durch OK als hoch eingeschätzt, erklärte Daniel Heinke, Chef der Bremer Kriminalpolizei und des LKA.
Aus dem gesamten Spektrum der bandenmäßigen und Organisierten Kriminalität seien derzeit besonders die Kriminalitätsphänomene Callcenter-Betrügereien mit falschen Polizeibeamten und die Rauschgiftkriminalität von Bedeutung. „Besonders aufmerksam betrachtet das Landeskriminalamt dabei Aktivitäten ethnisch abgeschotteter Gruppierungen sowie die Verfügbarkeit und den Einsatz von Waffen“, betonte Heinke. Dabei beklagte er allerdings, dass bei der Bremer Kriminalpolizei derzeit 50 Ermittlerdienstposten nicht besetzt seien. Dies mache sich natürlich auch im Bereich der OK bemerkbar.
Eine zusätzliche Gefährdung ergebe sich aus bestehenden Schnittstellen zwischen OK-Banden und islamistischen Gruppen oder Einzelpersonen. Eine besondere Herausforderung bei der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität sieht Heinke darin, dass sie nicht vor nationalen Grenzen halt macht. „Auch Täter in Bremen arbeiten teilweise eng mit Gruppierungen in anderen Bundesländern und dem Ausland zusammen.“ Dabei sei zu beobachten, dass der Grad der Professionalisierung dieser Gruppen steige. Dies erfordere personalintensive und zeitaufwendige Ermittlungen.