Altstadt. „Wenn Untersuchungen zur Museumsgeschichte zum Ergebnis gekommen sind, dass die Museen in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kein Ziel der Entnazifizierungskampagne waren, sondern vielmehr personell wie inhaltlich an die Vergangenheit anknüpften, dann gilt dies mehr oder minder auch für Bremen und Niedersachsen“, sagt Hans-Walter Keweloh. Der Volkskundler und Historiker war von 1979 bis 2012 er in Bremerhaven am Deutschen Schifffahrtsmuseum tätig. In der Vortragsreihe „Wissen um 11“ im Haus der Wissenschaft in der Sandstraße skizzierte er den Auf- und Ausbau der Museumslandschaft im Land Bremen nach 1945. Eine Stunde Null gab es demnach auch in den Museen nicht.
Der Krieg, eine unsachgemäße Behandlung und der Zugriff der Nationalsozialisten auf Sammlungen haben manchen Ausstellungsstücken schwer zugesetzt. „Nach alldem konzentrierten sich viele Museen neben dem Wiederaufbau der Museumsgebäude auf den Umgang mit ihrem Sammlungsgut“, sagt Walter Keweloh. Das Focke-Museum hatte 1945 keine Heimat mehr, das Haus im Stephaniviertel war zerstört. Zwar wurde die Sammlung durch Auslagerung in Sicherheit gebracht, doch erst 1953 konnte einiges im Gutshaus Riensberg an der Schwachhauser Heerstraße wieder der Öffentlichkeit präsentiert werden. Mit einem Neubau, der 1964 eingeweiht wurde, vergrößerte sich das Focke-Museum noch einmal. Es war der erste Neubau eines Landesmuseums nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik.
Vor einer größeren Aufgabe stand das Übersee-Museum: Teile der Sammlung waren nach dem Krieg vernichtet, das Haus schwer beschädigt. Bereits 1933 wurde der langjährige Direktor Hugo Schauinsland vom NSDAP-Mitglied Carl Friedrich Roewer abgelöst, der das Museum erst „Staatliches Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde“, nannte. Dann wurde es zum „Deutschen Kolonial- und Übersee-Museum“. Einen neuen Direktor und ein neues Konzept hatte das wiederhergestellte Haus bereits 1946. Seit 1951 trägt es den heutigen Namen.
US-Armee im Kupferstichkabinett
In die Kunsthalle am Wall hatten die Amerikaner nach dem Krieg das Amerika-Haus einquartiert und belegten sowohl Kupferstichkabinett und Direktionszimmer. Und obwohl das Gebäude aufgrund der Kriegsschäden weitgehend unbenutzbar war, wurden bereits ab 1946 Wechselausstellungen veranstaltet, „unter anderem eine Ausstellung mit Werken von der im Dritten Reich als ,entartet' eingestuften Paula Modersohn-Becker“. 1948 seien zehn Räume der Öffentlichkeit übergeben worden, sagte Walter Keweloh, „Ende 1951 waren alle Säle im Obergeschoss wieder benutzbar“.
In den frühen 60er-Jahren beklagte der Pädagoge Georg Picht „die deutsche Bildungskatastrophe“ und forderte für die Bundesrepublik „eine langfristige, zeitgemäße, das heißt einer demokratischen Gesellschaft gemäße Bildungsplanung.“ Diese Forderung war gleichzeitig ein entscheidender Denkanstoß zur Entwicklung neuer Museumsideen. „Plötzlich empfanden viele die bisherigen Zielsetzungen der Museen und deren Vermittlungstätigkeit als unzureichend und nicht mehr zeitgemäß“, sagte Walter Keweloh. Museen müssten an der Bildungsvermittlung mitwirken, war der damalige Tenor, und sie sollten sich allen Bevölkerungsschichten öffnen. „Im Besonderen jüngeren Menschen, die die Museumsangebote als wenig attraktiv empfanden und die eher selten ins Museum kamen.“ Eine kritische Auseinandersetzung mit der Kunst sollte angeregt werden.
Das Übersee-Museum wurde 1975 neu ausgerichtet. „Nicht länger sollte die Exotik fremder Kulturen bewundert und bestaunt werden“, sagte Walter Keweloh in seinem Vortrag. Fortan sei nicht mehr nur das Leben fremder Völker in der Vergangenheit gezeigt worden – „Vermittlungsziel wurde auch das Leben der Menschen aus fremden Kulturkreisen in der Gegenwart mit den häufig durch den europäischen Imperialismus entstandenen Problemen“. Doch diese Art der belehrenden Wissensvermittlung stieß beim Publikum zunächst auf wenig Gegenliebe. „Die Besucher kamen zur Entspannung ins Museum. Das Lernen, der Erwerb neuen Wissens, war willkommener Nebeneffekt.“
Um sich den neuen Gegebenheiten anpassen zu können, richtete das Land Niedersachsen in den 80er-Jahren das Fach Museumspädagogik ein, und auch die Bremer Museen schufen Stellen für diese ausgebildeten Fachkräfte. Doch das schien anfänglich nicht von Erfolg gekrönt zu sein: „Trotz aller Bemühungen beklagte 1990 der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Jürgen Möllemann, dass 1988 an den rund 2600 Museen in der Bundesrepublik Deutschland lediglich 220 Museumspädagogen hauptamtlich beschäftigt waren“, berichtete Keweloh.
Parallel zu diesen Entwicklungen gab es große Sonderausstellungen, die ab den 70er-Jahren den Außenblick auf die Museen prägten. „Dieser Großausstellungsbetrieb ist zwiespältig, damals sogar oft äußerst kritisch bewertet worden. Zwar brachten die großen Sonderschauen eine außerordentliche mediale Aufmerksamkeit und die Museen erreichten damit auch die gewünschte breite Besucherresonanz“, sagte Walter Keweloh. Eine dauerhafte Bindung der Besucher an das Museum gelang durch die Sonderausstellungen jedoch kaum.
Und es tat sich auch in anderen Bereichen mehr. „Architekten entdeckten Entwurf und Bau von Museen als lohnenswerte Aufgabe, mit der man sich in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit profilieren konnte. Außerdem schmückten sich die Bauherren gerne mit dem Ruf namhafter Architekten“, sagte Walter Keweloh. Doch auch dieser Trend hatte Schattenseiten: Die neuen Museumsbauten mit viel Glas und Licht entsprachen häufig nicht den konservatorischen Erfordernissen. Manche der damals vorbildhaften Neubauten sind bereits durch museumsgerechtere Neubauten ersetzt worden.
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