Kommentar über Gewalt gegen Lehrer Ein Bündel an Problemen

Lehrer werden immer häufiger Opfer von physischer und psychischer Gewalt. Eine einfache Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht. Ein Bündel an Problemen haftet heute den Schulen an, meint Norbert Holst.
25.09.2020, 05:00 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Ein Bündel an Problemen
Von Norbert Holst

Sie werden geschlagen, bedroht, beschimpft und gemobbt – Lehrerinnen und Lehrer an deutschen Schulen. Laut einer Studie des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) haben sowohl körperliche wie verbale Übergriffe auf Lehrkräfte erheblich zugenommen. Manche sagen, das Ganze sei hauptsächlich ein Problem mangelnden Respekts. Sie argumentieren: Auch vor 30, 40 Jahren waren Schulklassen mit 30 und mehr Schülern nicht selten, es gab auch immer wieder Ausfallzeiten wegen fehlender Lehrer. Eine individuelle Betreuung einzelner Schüler war auch kaum möglich. Doch Gewalt gegen Lehrer hat es damals so gut wie nicht gegeben.

Stimmt einerseits und ist doch nur die halbe Wahrheit. Ein ganzes Bündel von Problemen hat zur Verrohung an den Schulen geführt. Gewiss gehören übergroße Klassen und Lehrermangel dazu, aber noch mehr Eltern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, doch gegenüber der Schule eine enorm hohe Erwartungshaltung an den Tag legen. Und es gibt eben auch immer mehr Kinder und Jugendliche, die es nie gelernt haben, selbst mit kleinsten Frustrationserlebnissen vernünftig umzugehen. Andere haben nie erlebt, dass anders als mit Gewalt auf Konflikte reagiert wird. Schule ist das Schattenbild einer verrohten Gesellschaft.

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Im klassischen Bild ist die Schule in erster Linie eine Bildungsstätte. Dieses Bild wird der Realität aber nicht mehr gerecht, sie ist ein wichtiger sozialer Lebensraum. Viel stärker als früher ist sie heute auch Reparaturstätte, ein Ersatz für fehlende Lebensräume außerhalb von Bildungseinrichtungen, wie zum Beispiel eine intakte Familie mit fürsorglichen Eltern. Auf diese schwere Aufgabe ist die Schule kaum vorbereitet. Mehr Sozialarbeit, neue Präventionsprogramme, kleinere Klassen, weniger Frontalunterricht, kein Lehrermangel – alles richtig, damit die Schule von heute ihre Aufgaben besser erfüllen kann und die Gewalt, auch unter Kindern und Jugendlichen, gestoppt wird.

Doch während Attacken gegen Feuerwehrleute, Sanitäter und Polizeibeamten längst ein Thema in der Mitte der Gesellschaft sind, ist die Gewalt gegen Lehrer oft mit einem Tabu belegt. Nicht einmal die zuständigen Behörden schenken diesem Problem die gebotene Aufmerksamkeit. In Bremen weiß man nicht einmal, ob und wie stark die Gewalt gegen Lehrer zugenommen hat. Und in Niedersachsen kommt laut VBE nur ein Schulpsychologe auf 15.000 Schüler. Das spricht Bände.

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