10 000 Bremerinnen und Bremer werden Post bekommen, oder sind schon angeschrieben worden. Sie werden gebeten, sich an der Nako, der Gesundheitsstudie Nationale Kohorte, zu beteiligen – der größten Studie, die es in Deutschland jemals gegeben hat. Wolfgang Ahrens, einer der vier wissenschaftlichen Vorstände des Vereins Nako und Projektleiter in Bremen, hat das Forschungsprojekt bei Wissen um elf im Haus der Wissenschaft vorgestellt. Das Ziel der Studie: „Wir wollen die typischen Volkskrankheiten, also die häufigen Erkrankungen, untersuchen, und noch genauer verstehen, was die Ursachen sind.“
Gene und Umwelt spielen bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle. Um die entscheidenden Faktoren, die Krankheiten begünstigen, zu identifizieren und die Ursachen zu ergründen, einen Verdacht quasi in Gewissheit zu verwandeln, braucht es eine Daten-Infrastruktur. Die wird mit der Nako erhoben. Langzeitbeobachtung haben schon früher wichtige Erkenntnisse gebracht: Die Britische-Ärzte-Studie beispielsweise lieferte in den 1950er-Jahren Belege dafür, dass Tabakrauchen das Lungenkrebs-Risiko erhöht. Verstehen heißt verhindern: „Am Ende steht natürlich dann die Antwort auf die Frage: Wie können wir uns besser vor dem Auftreten dieser Krankheiten schützen?“, sagt Wolfgang Ahrens.
Wolfgang Ahrens ist stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (Bips) und Professor für epidemiologische Methoden an der Universität Bremen. Das Leibniz-Institut ist eines von bundesweit 18 Studienzentren, das an der interdisziplinären Studie beteiligt ist. Die Nako ist ein Mammutprojekt: Insgesamt 200 000 Menschen im Alter von 18 und 69 Jahren sollen über Jahre hinweg regelmäßig untersucht werden. Ein Querschnitt der Bevölkerung, zufällig ausgewählt vom Einwohnermeldeamt.
Diabetes, Krebs, psychische Erkrankungen, neurologische Erkrankungen, Atemwegserkrankungen nehmen immer mehr zu und geben den Forschern noch immer Rätsel auf. „Wir wissen schon ganz, ganz viel, aber wir glauben, dass wir da noch mehr erfahren können“, sagt Wolfgang Ahrens. Was diese Studie von anderen Studien unterscheide, sei auch, dass sie Infektionserkrankungen ebenfalls untersuche. So soll auch der Nutzen von neuen Impfungen, wie der gegen Gebärmutterhalskrebs untersucht werden. Dabei geht es um mögliche Spätfolgen der Impfung.
Zur Studie gehört eine Basisuntersuchung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es gibt aber auch Untersuchungen, die die Wissenschaftler gerne machen würden, die aber teuer und aufwendig sind und deshalb auf 40 000 Frauen und Männer beschränkt werden. Einzelne Studienzentren haben zudem die Möglichkeit, auf eigene Kosten weitere spezielle Untersuchungen zu machen.
Alle, die sich beteiligen, bekommen etwa alle zwei Jahre Post von der Nako. Nach vier Jahren folgt die zweite Basisuntersuchung. Blutprobe, Speichelprobe, Nasenabstrich, Urinprobe, Stuhlprobe und und und: Zusätzlich zu Fragebögen und körperlichen Untersuchungen werden Bioproben gesammelt und zur späteren Analyse langfristig eingelagert. In München wird gerade ein Bioproben-Lager gebaut. Dort sollen 20 Millionen Bioproben lagern – 20 Millionen kleine Röhrchen in Stickstoff. „Ein Drittel der Proben, die wir in Bremen nehmen, lagern wir auch in Bremen – schon aus Sicherheitsgründen“, sagt Wolfgang Ahrens.
Aber nicht nur die Teilnehmer selbst können Auskunft geben. Gut dokumentierte Daten gibt es auch andernorts: Patienten-Daten von den Krankenkassen oder Daten der Sozialversicherung sowie des Krebsregisters können beispielsweise in die Studie mit einfließen. Damit dies alles zulässig ist, stehen die Wissenschaftler auch in der Diskussion mit Bundes- und Landes-Datenschützern.
Finanziert sei die Studie bis 2018, Mittel für weitere fünf Jahre seien reserviert, sagt Wolfgang Ahrens. Geld geben das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die beteiligten Bundesländer, die Helmholtz-Gemeinschaft und die beteiligten Institute. „Das Ganze ist nicht billig.“ Die Fördersumme sei begrenzt auf 210 Millionen Euro. Insgesamt sei die Studie mit 270 Millionen Euro veranschlagt.
Wolfgang Ahrens geht aber davon aus, dass es teurer werden wird, denn schon das Bips finanziere doppelt so viel, wie veranschlagt. „Aber das Eigeninteresse der Forschungseinrichtung ist auch sehr groß, daran mitzumachen.“ 30 000 Personen sind seit 2014 untersucht worden, mehr als 2500 davon in Bremen. Sie legen den Grundstein, damit Krankheitsursachen erforscht, Frühzeichen erkannt und Vorbeugemaßnahmen entwickelt werden können.
Die Untersuchung
◼ Die Nationale Kohorte, kurz Nako, ist die bislang größte deutsche Gesundheitsstudie. Der Riechtest ist nur eine von vielen Untersuchungen, die dabei auf dem Programm stehen. 18 Studienorte sind dafür ausgesucht worden – einer von ihnen ist Bremen mit dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie BIPS. In Bremen ist die Studie im April 2014 angelaufen. Die Untersuchungen laufen im BIPS, Bremer Projektleiter ist Wolfgang Ahrens, Kathrin Günther leitet das Studienzentrum. Die Tests dauern bis zu vier Stunden. Ermittelt und anonymisiert gespeichert werden Blutdruck und Blutzucker, Gewicht, Lungenvolumen, Laborwerte aus Blut und Urin. Dazu kommen beispielsweise ein Handgreiftest zur Muskelkraft oder der Riechtest. Außerdem werden die Teilnehmer in einem Interview zu ihrem Lebensstil und Krankheiten befragt. Die Ergebnisse können mitgenommen werden.
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