Parteienstreit in Vegesack Kritik an Flüchtlingshilfe hat Folgen

Die SPD fordert den Kommunalpolitiker Cord Degenhard von den "Bürgern in Wut" auf, seinen Vorsitz im Ausschuss für die Betreuung von Flüchtlingen abzugeben. Zu den Hintergründen...
01.06.2018, 18:09 Uhr
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Kritik an Flüchtlingshilfe hat Folgen
Von Patricia Brandt

Über seine Kritik an einer Flüchtlingshilfsorganisation könnte ein langjähriger Lokalpolitiker jetzt stolpern. Die SPD-Fraktion im Beirat Vegesack fordert den Rücktritt von Cord Degenhard (Bürger in Wut) als Sprecher des Ausschusses für die Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern: „Der Rücktritt ist überfällig. Herr Degenhard wird dem Auftrag dieses Ausschusses in keiner Weise gerecht. Stattdessen missbraucht er diese Stellung für Effekthascherei und Polemik gegen Flüchtlinge und Asylbewerber und gegen Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe.“ Ehrenamtliche fühlen sich von Degenhard brüskiert.

„Mit äußerstem Befremden“ habe die SPD-Fraktion zur Kenntnis genommen, wie sich die Beiratsmitglieder Cord Degenhard und Marvin Mergard (AFD) im Ausschuss „aufgeführt haben“, schreiben die SPD-Mitglieder Peter Fahsing, Wilfried Sulimma und Gabrielle Jaeckel in einer gemeinsamen Erklärung. Degenhard und Mergard hatten die Initiatorin der Ökumenischen Starthilfe, Sybille Vollmer, die einen ehrenamtlichen Vollzeitjob leistet, während der jüngsten Ausschusssitzung kritisiert, weil die Starthilfe nur Flüchtlingen und nicht deutschen Bedürftigen hilft. Mergard sprach von einer Diskriminierung deutscher Staatsbürger.

Die Starthilfe sammelt Kleiderspenden und Möbel und gibt diese in einem früheren Supermarkt an der Lerchenstraße wieder aus. Die SPD erklärt dazu, dass es in Deutschland seit vielen Jahrzehnten Hilfen für alle bedürftigen Bürger gibt: „Dass die AfD plötzlich ihr Herz für ‚arme Deutsche‘ entdeckt, ist angesichts ihres eiskalten Wirtschaftsliberalismus im Programm unglaubwürdig.“ Die Genossen stoßen sich auch an Degenhards Äußerungen über Flüchtlinge allgemein, die pauschal und polemisch gewesen seien. Peter Fahsing hatte wegen der Äußerungen kurzzeitig überlegt, selbst die Arbeit im Ausschuss niederzulegen.

Sie fühle sich regelrecht beschädigt, sagt Sybille Vollmer auf Anfrage. Andererseits habe sie nach dem Bericht über die Sitzung in der NORDDEUTSCHEN enorm viel Unterstützung bekommen: „Ich bekomme Zuspruch von Leuten, die ich nicht mal kenne. Wir haben jetzt auch zwei neue Fahrer gefunden, die helfen, Möbel zu transportieren.“

Die Rücktrittsforderung überrascht den Ausschusssprecher. Degenhard hält sie für ungerechtfertigt. Er habe im Ausschuss einerseits das Engagement von Frau Vollmer grundsätzlich gewürdigt, aber auch gesagt, dass ihm „nicht gefällt, dass bedürftige Deutsche ausgeschlossen werden“. Degenhard: „Besteht das Demokratieverständnis der SPD neuerdings darin, dass sie der Meinung sind, ein Beiratsmitglied dürfe nicht mehr sagen, was ihm gefällt und was nicht? Das wäre in der Tat erbärmlich und würde an Meinungsfaschismus grenzen.“ Zu seiner Aussage, die Mehrzahl der Flüchtlinge seien illegale Grenzverletzer, stehe er. „Dies ist nach geltendem Recht unbestritten der Fall.“ Ebenso sei es eine Tatsache, dass die Politik des Bremer Senats, speziell des Innensenators, Ausreisepflichtigen eine Duldung (über einen längeren Zeitraum als drei Monate) zu gewähren, einer Rechtsbeugung gleichkäme.

Der Beirat soll dafür sorgen, dass der Ausschuss so arbeitet, „wie es seinem Namen geziemt“, fordert unterdessen die Willkommensinitiative Vegesack, die Flüchtlinge im Stadtteil betreut. „Ohne die Arbeit der Starthilfe wäre unsere Betreuungsarbeit nur die Hälfte wert. Insofern fühlen wir uns von der Schelte der Herren Degenhard und Mergard, dass die Starthilfe nur Flüchtlinge unterstützt, als ehrenamtliche Helfer mitbetroffen. Sollen denn Mädchenhäuser gezwungen werden, auch Jungen zu betreuen? Sollen sich Altentreffs für Jugendliche und Kleinkinder öffnen? Familienzentren für Singles aller Art? Die Argumentation der beiden ist lächerlich“, schreiben Ute Pahlow und Jochen Windheuser von der Willkommensinitiative in einer Erklärung. Mehr noch: Das Ausspielen von Flüchtlingen gegen Deutsche sei „ein durchsichtiges Manöver, um die Gesellschaft zu spalten und Hass zu säen“.

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