Nanu? Was macht der Mann im grauen Anzug mit der Schiebermütze denn da? Er sieht ein bisschen verloren aus, kann sich nicht so richtig entscheiden, in welche Richtung er laufen soll und verheddert sich dann zu allem Überfluss auch noch in seiner Umhängetasche, sodass er fast hinfällt. Hier und da werfen Passanten im Vorübergehen einen verstohlenen Blick auf den Mann – unschlüssig, ob sie schmunzeln oder ihre Hilfe anbieten sollen. Und was ist das? Nur ein paar Meter weiter tanzt ein auffällig gekleidetes Paar mit rotem Schirm in der Hand Walzer auf dem Marcus-Brunnen, bevor es nur eine Minute später schon wieder weiterzieht.
Inmitten dieses Treibens stehen zwei Personen mit gelber Warnweste. Es sind Renate Heitmann, Leiterin der Bremer Shakespeare Company und Hans König, Regisseur, Autor und Theaterproduzent. Seit dem 1. November haben Heitmann und König aber noch eine andere Aufgabe: Sie sollen im Auftrag des Senators für Kultur bis Herbst kommenden Jahres Ideen koordinieren und umsetzen, wie man die Stadt – in Corona-Zeiten, aber auch langfristig – mit mehr Kultur beleben könnte. Das Ganze ist Teil des städtischen Aktionsprogramms Innenstadt.
1,4 Millionen für die Kultur
Bereits im August beschloss der Senat das Aktionsprogramm, in das insgesamt 13,2 Millionen Euro aus dem Bremen-Fonds investiert werden sollen. Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität, Erreichbarkeit und Nutzungsvielfalt im Stadtzentrum zu verbessern. Auch die Bremer Kulturschaffenden sollen hier etwas beitragen. 1,15 Millionen Euro sollen in „Kulturimpulse für die Innenstadtentwicklung“ investiert werden, hinzu kommen 250.000 Euro für „Kultur-Gastronomie in den Wallanlagen“. Dieses Thema wolle man – je nach Pandemieentwicklung – spätestens im Frühjahr näher angehen, betont Heitmann.
Das Programm bis Weihnachten, das unter dem Titel „Kultur-Winterwonne“ läuft, ist nun der Anfang. Alleine am Montag waren 35 Künstler aus verschiedenen Sparten – Theater, Tanz, Clownerie, Varieté- und Straßenkünstler – in der Stadt unterwegs, um Passanten zum Lachen zu bringen oder sie zumindest ein bisschen zu irritieren. Und auch in den kommenden Wochen kann es durchaus sein, dass man beim Gang durch die Innenstadt ungewohnte Gestalten trifft. So wie den Clown mit Aktentasche, der plötzlich links vorüberzieht und freundlich mit einem Nicken grüßt, als sei es das Normalste der Welt.
An zwei Tagen pro Woche wird es Theaterprogramm geben, jeden Dienstag am Nachmittag zudem Musik an verschiedenen Orten in der Stadt. Für König sind die kleinen Kulturhäppchen auf der Straße so etwas wie „das homöopathische Kügelchen im System“, das man in schwierigen Zeiten, wie wir sie erleben, einfach braucht: „Das Leben ein bisschen anzureichern ist gerade sehr wichtig.“
Wann und wo genau es etwas zu sehen geben wird? Da bleiben Heitmann und König etwas schwammig, schließlich gilt es, Menschenansammlungen zu vermeiden. Um dies grundsätzlich auszuschließen, sind auch immer acht Kulturordner in der Stadt unterwegs, so wie Heitmann und König ausgestattet mit gelben Warnwesten. Außerdem sind die Künstler selbst ständig in Bewegung, ziehen im Kernbereich der Innenstadt zwischen Marktplatz, Sögestraße und Brill hin und her ohne irgendwo lange zu verweilen.
In der Sögestraße schlendert am Montag William Shakespeare vorbei und versorgt sein Publikum mit einer Lesung vom Band. Am anderen Ende der Straße ärgert eine Putzfrau eine konzentrierte Tänzerin mit einem Staubwedel. Reine Dekoration, die die Innenstadt ein bisschen schöner macht, sollen die Künstler aber nicht sein, stellt König klar. Die Aufgabe von Kultur sei es schließlich auch immer, Dinge zu hinterfragen, wenn nötig auch zu kritisieren.
Seine und Renate Heitmanns Aufgabe dabei: Vermitteln, Kontakte herstellen, beobachten, Impulse erkennen und nicht zuletzt: Dazu beizutragen, Bremer Kulturschaffenden wieder Auftrittsmöglichkeiten zu geben – in dem man coronagerechte Formate entwickelt, die kleine Highlights in veranstaltungsarmen Zeiten möglich machen.
Ein weiteres davon könnte am 14. Dezember starten: Dann nämlich soll vor der Liebfrauenkirche für einige Tage unter dem Namen „By the Way“ ein Kunst-Kiosk für Kultur aufgebaut werden. Besucher und Besucherinnen, können von einer Karte Geschichten, Gedichte und Lieder auswählen, kaufen und sich diese dann vom jeweiligen Künstler im Kiosk vortragen lassen. Außerdem sollen Passanten auf einem Zettel festhalten können, was sie sich selbst im kommenden Jahr für die Stadt erhoffen. Die letzte Genehmigung hierfür stehe allerdings noch aus, betont König, zeigt sich allerdings optimistisch, dass das Konzept abgenickt wird: „Am Stand ein Gedicht zu kaufen, dauert auch nicht länger, als sich auf dem Markt Wurst und Käse einpacken zu lassen.“
Weitere Informationen
Weitere Informationen gibt es im Internet unter kulturwinterwonne.de.