Nicht ohne Musik Bremer Bands spielen auf Oldenburger Festival

Ein Sommer ohne Festivals? Das schien dem Oldenburger Jannik Kirchner unvorstellbar. Innerhalb eines Monats stellten sein Team und er die Konzertreihe „Einfach Kultur“ auf die Beine. Am 15. Juli geht es los.
14.07.2020, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Bremer Bands spielen auf Oldenburger Festival
Von Katharina Frohne

Ein geiler Sommer ohne Live-Musik, findet Jannik Kirchner, das geht eigentlich gar nicht. Ohne Festivals, laue Luft und laute Töne, Bier und Bass. Ein paar Wochen ist es her, dass er deshalb zu planen begann: „Wir haben einen Zettel auf den Tisch gelegt und einfach aufgeschrieben, was man für ein Festival braucht.“ Eine Bühne zum Beispiel, Starkstrom, Getränke, ein Brandschutzkonzept, Dixi-Klos. Wir, das sind sieben Menschen aus der Oldenburger Musikszene, Menschen also, die wissen, wie man eine Veranstaltung organisiert, wie man die Technik zusammenbekommt, wie man Bands bucht, die Werbetrommel rührt.

Zumindest unter Normalbedingungen. Nur: Diesen Sommer ist nichts normal, diesen Sommer ist Corona. „Wir wussten, dass jetzt alles ganz schnell gehen muss, weil sich die Auflagen jeden Tag wieder ändern können“, sagt Kirchner. Also legten sie als Starttermin Mitte Juli fest. Das war Mitte Juni. „Alles ziemlich knapp also“, sagt Kirchner heute.

Das Geld für „Einfach Kultur“, eine am 15. Juli anlaufende, im Bahnhofsviertel stattfindende Konzertreihe, steuerten sein Team und er teils privat bei, einen​ weiteren Teil stellten verschiedene Unternehmen aus Oldenburg und der Region zur Verfügung. Auch über eine Crowdfunding-Kampagne versuchten Kirchner und seine Kollegen, das Festival zu finanzieren – allerdings mit mäßigem Erfolg.

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Bands sagten sehr spontan zu

Trotzdem sagt Kirchner: „Was von Anfang an klar war, war, dass wir allen Musikern halbwegs vernünftige Gagen zahlen wollen.“ Denn „Einfach Kultur“ sei nicht nur ein Geschenk an ihn selbst, vor allem solle es den Bands ermöglichen, endlich wieder auf der Bühne zu stehen. Und: Geld zu verdienen, mit Musik. Mehr als 25 Künstler – aus der Region Oldenburg, aus Bremen, Hamburg, Hannover und anderen Teilen Deutschlands – gehören zum Line-up, fast alle, sagt Kirchner, hätten sehr spontan zugesagt.

So auch Maischa Perdelwitz und Paul Richter, zusammen das Duo Wezn (sprich: Wesen). Beide stammen aus Bremen, beide studieren inzwischen in Hannover; er Pop-Schlagzeug, sie Jazz-Gesang. Fächer, die auch die gemeinsame Musik prägen. Seit zwei Jahren machen Perdelwitz, 23, und Richter, 24, düster-sphärischen Elektro mit Schlagzeug, Synthieklängen und Perdelwitz’ mal zarter, mal markant-tiefer Stimme.

„Für uns war eigentlich sofort klar, dass wir dabei sind“, sagt Richter. Fast sieben Monate ist es her, dass Wezn zuletzt live spielten, in Berlin war das, im Dezember. Seither gaben die beiden zwei Streaming-Konzerte – Konzerte ohne Publikum also, die gefilmt und im Internet geteilt werden. „Das war ’ne spannende Erfahrung, aber natürlich nicht das Gleiche“, sagt Richter. „Wir standen auf der Bühne vor leeren Plätzen, zugeguckt hat der Typ mit Kamera – das ist schon irgendwie seltsam.“

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Endlich wieder Bühne

„Ganz okay“ seien Perdelwitz und er durch die konzertfreie Zeit gekommen, immerhin um die 15 Konzerte wurden coronabedingt abgesagt. „Klar, wir sind gewissermaßen hauptberuflich Studenten, uns ist also nicht wie anderen unsere Haupteinnahmequelle weggebrochen.“ Trotzdem seien die Live-Auftritte wichtig: „Wir studieren Musik – da gehört es dazu, sich schon während des Studiums etwas aufzubauen, um danach als Band Geld verdienen zu können.“ Die Vorfreude sei deshalb groß: „Wir haben richtig Lust drauf: auf die Bühne, vor allem auf die Menschen.“

Ähnliches sagt Christopher Butt vom Bremer Deutschrap-Duo Ksm Crw. Zusammen mit seinem Bandkollegen Dennis Kruk habe er 2020 „richtig loslegen“ wollen, mehrere Konzerte seien geplant gewesen, die erste Single „Unterschied“ erschien im Januar. „Das ist natürlich bitter, wenn dann alles flachfällt“, sagt Butt. Dennis Kruk kennt er „schon ewig“, beide wuchsen in Bassum auf, gingen zusammen zur Schule. „Wenn man so will, könnte man sagen: Unsere ersten Texte entstanden, als wir zwölf, 13 Jahre alt waren“, sagt Butt, inzwischen 27. Dass sich in diesem Jahr überhaupt noch ein Auftritt ergibt, daran hatten Kruk und er schon nicht mehr geglaubt. „Wir waren in Gedanken schon bei 2021, wir hätten nie gedacht, dass das noch hinhaut.“

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„Funktioniert nur, wenn alle mitmachen“

Dass es hinhaut, ist der Idee hinter „Einfach Kultur“ geschuldet: Konzerte unter freiem Himmel, Maskenpflicht, gesittete Sitzplätze statt Tanz vor der Bühne. „Anders geht es aktuell nicht“, sagt Organisator Jannik Kirchner. Schon wer ein Ticket bestelle, werde über alle geltenden Hygienevorschriften aufgeklärt, auch während der Veranstaltungen selbst werde Wert auf Einhaltung der Regeln gelegt. „Klar, das funktioniert nur, wenn alle mitmachen – wir hoffen deshalb sehr, dass wir auf das Verständnis der Leute zählen können.“

Das hofft auch Lars Riedel, Gitarrist der Post-Hardcore-Band Maelføy aus Ganderkesee. „Es freut uns extrem, dass ein solches Format sich überhaupt so kurzfristig hat realisieren lassen.“ Auch er, erzählt er, hatte schon nicht mehr damit gerechnet, im laufenden Jahr überhaupt noch live zu spielen. „Umso toller, dass es jetzt doch noch klappt.“

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Ein bisschen ganz normaler Sommer

Auch für die Musiker von Maelføy bedeutete die Corona-Krise keine existenzielle Bedrohung. Sie alle machen hauptberuflich etwas anderes, die Band sei für sie „ein sehr ambitioniertes Hobby, in das wir viel Liebe stecken“. Und natürlich sei da immer dieser Gedanke: Was, wenn wir doch berühmt werden, von der Musik leben können, irgendwann auf Welttournee gehen? „Das sind natürlich nur Träume“, sagt Riedel und lacht. „Trotzdem ist es hart, monatelang nicht zu spielen, nicht auf sich aufmerksam machen zu können.“

Ihre Konzertreihe, sagt Jannik Kirchner vom Planungsteam, wolle Chancen bieten: den Musikern die Chance, endlich wieder vor Publikum zu spielen, dem Publikum die Chance auf Live-Musik, auf Festivalatmosphäre, auf ein bisschen ganz normalen Sommer. „Im Grunde ist ‚Einfach Kultur‘ etwas, von dem ich gehofft hätte, dass es wer anders macht“, sagt Kirchner. „Jetzt haben wir’s eben einfach selbst angepackt – und hoffen, dass andere genauso viel Bock darauf haben wie wir.“

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Weitere Informationen

„Einfach Kultur“, Oldenburg, 15. Juli bis 30. August. Alle Bands, Tickets und Termine unter www.einfach-kultur.de.

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