Bremen. Eigentlich ist die Theatertruppe, die sich "Das letzte Kleinod" nennt, auf maritime Stoffe abonniert. So präsentierte das auf spektakuläre Freiluftvorstellungen spezialisierte Ensemble in unserer Region zuletzt das dokumentarische Projekt "Meteor", das einer deutschen Atlantik-Expedition in den Jahren 1925 bis 1927 gewidmet war; einer abenteuerlichen Reise, die in Wilhelmshaven begann und dort auch endete.
Doch seitdem den rührigen Akteuren um Produzentin Juliane Lenssen und Regisseur Jens-Erwin Siemssen ein imposanter Theaterzug von bis zu 140 Metern Länge zur Verfügung steht, der mittlerweile vorbehaltlich der Genehmigung sogar innereuropäische Grenzen überschreiten kann, können die Themen der Theatermacher naturgemäß deutlich weiter gefasst werden – und zudem in besonderer Weise Schienenreisen betreffen.
Insofern scheint das jüngste Sujet, das am Dienstag vor Medienvertretern im Bremer Übersee-Museum vorgestellt wurde, prädestiniert für die mobile Theatereinsatztruppe: Es geht um Wilhelm II. (1859-1941), den letzten deutschen Kaiser, der nicht nur des schmucken Binnenreims wegen als Reisekaiser galt. Immerhin stand dem Mann während der ambivalenten Jahre seiner Herrschaft als oft genutztes Landtransportmittel ein sogenannter Hofzug zu Gebote: kastanienbraun lackierte Salonwagen, mit denen der preußische Monarch gern und also so oft wie möglich Eindruck schindete: Mehr als 500 Dienstreisen, so haben Historiker hochgerechnet, hat Wilhelm II. mit diesem Vehikel absolviert. So viele, dass der lästerlich gestimmte Volksmund die preußische Volkshymne "Heil dir im Siegerkranz" kurzerhand in "Heil dir im Sonderzug" umdichtete.
Historische Rekonstruktion
Vom 24. bis zum 26. Juli gastiert der als Hofzug drapierte Theaterzug, der freilich ozeanblau ist, nach Stationen in Frankfurt/Oder, Potsdam, Bad Bentheim und Utrecht am Bahnhof Worpswede (jeeils um 20 Uhr). Gegeben wird das dokumentarische Stück "Wilhelm*ina", das die mehr als zwei Jahrzehnte währende Exilzeit des Monarchen in den Niederlanden auf anschauliche Weise rekonstruieren soll – auf der Grundlage von Gesprächen mit Zeitzeugen älteren Baujahrs und Nachkommen der Monarchie in Kombination mit einschlägigen historischen Quellen.
Hauptfigur des Spiels – der Stücktitel signalisiert es – ist neben dem abgedankten Kaiser, den Richard Gonlag mit dezent gezwirbeltem Bart auf stattliche Art und mit einem ausgeprägten Gespür für Komik verkörpert, die niederländische Königin Wilhelmina, die Sandra Macrander standesgemäß behütet und behandschuht gibt. Schließlich war es die Monarchin, die den Hofzug des nach Novemberrevolution und Soldatenaufstand flüchtigen Wilhelm vom Grenzbahnhof Eijsden sozusagen in ihr Reich durchwinkte.
Wie sich der ungebetene Gast dort einrichtet, zeigt das mit viel Musik und noch mehr aberwitzigen Regieeinfällen unterfütterte Stück, das Produzentin Juliane Lenssen als "intimen Einblick in das Privatleben eines Ex-Herrschers" bezeichnet.
Richard Gonlag mag seine Rolle, weil sie ihm die Möglichkeit gebe, Wilhelm als das "ziemliche Großmaul" vorzuführen, das er gewesen sei. Sandra Macrander wiederum schätzt den Umstand, dass ein tragisch unterfütterter Stoff mit viel Humor behandelt werde. Vor dem Übersee-Museum gaben die beiden Akteure schon mal eine Kostprobe, als sie rhetorisch und mit einem Feuerwehrschlauch vergnüglich miteinander rangen. Zur Freude jugendlicher Zaungäste. Royalismus kann sehr amüsant sein.