Nun ist schon wieder was passiert. Ob du es glaubst oder nicht: Der Wolf Haas, den du sonst als Autor der Simon-Brenner-Krimis kennst, macht plötzlich ein anderes Ding. Nämlich einen Roman ohne den Brenner. Wie schon 2006 („Das Wetter vor 15 Jahren“) und 2012 („Verteidigung der Missionarsstellung“; dafür gab‘s ein Jahr später den Bremer Literaturpreis). Pass auf, was ich dir sage: Der Wolf Haas, obwohl schon 57 Jahre alt, hat ein Buch geschrieben, das „Junger Mann“ heißt – und vielleicht, wer weiß das schon, auch ein bisschen über den Künstler als korpulentes Kind erzählt, wenn er das denn war (also korpulent; am Kindsein kommst du ja schwer vorbei). Denn das Problem siehst du ja schon am Bucheinband, auf dem eine Waage 92 Kilo anzeigt. Als Zaunpfahlwink, wie gewichtig die Hauptfigur ist. Obwohl die im Buch ja ab und zu durchaus auch mal ab-, dann aber wieder zunimmt. Und so fort. Pubertät halt.
Aber interessant dann doch, wie vertraut und wohl man sich im neuen Buch vom Haas fühlt (ab Sonnabend im Handel), obwohl, wie gesagt, kein Brenner. Und obwohl Krisen, Kalamitäten, Katastrophen, soweit das Auge reicht. Heilloses Haas-Universum halt. Mit skurrilen Figuren. Neben dem jungen Mann, der an einer Tankstelle jobbt, ist da der um ein paar Jahre ältere Tscho, ein kerniger Kraftfahrer mit Kraftausdruckkenntnissen, und seine fesche Frau, die Elsa. Die hat ein Auge (wenn nicht gar zwei Augen) auf den jungen Mann geworfen, und der wirft zurück. Große Gefühle also zwischen Frau und Mann, aber auch umgekehrt. Das verstehst du dann schon, wenn du es liest, das Buch vom Haas, das wirklich witzig ist, aber auch berührt. Vor allem das größte Gefühl von allen findet darin statt. Nein, nicht die Liebe, wie es oft heißt. Sondern in Wirklichkeit das Scheitern.
Im Nachhinein wird es heißen: Weniger Action als gedacht. Aber sehr gut. Weniger überdreht als gedacht. Aber sehr gut. Trauriger als gedacht. Aber sehr gut. Auch die Textstellen mit den mittelgroßen Gefühlen, die dann zwischen Mann und Mann. Weil der Tscho den dicklichen Helden einmal mit auf eine fette Fahrt nimmt. Balkan-Route. Wohlgemerkt: Mitte der 70er, als das mit dem Grenzübertritt längst noch nicht so leicht ging wie heute.
Also viel los in diesem Roman, der vom Erwachsenwerden erzählt und von der Sehnsucht nach Weite, die in österreichischen Schluchten arg sein muss. Sozusagen literarisches Roadmovie. Ergreifende Szene am Meer inbegriffen, das der junge Mann
erstmals sieht: „Wenn er jetzt sagt, Fett schwimmt, bring ich ihn um. Aber er sagte nichts mehr.“
Weitere Informationen
Wolf Haas: Junger Mann. Hoffmann und Campe, Hamburg. 240 Seiten, 22 €.
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