Frau Melua, Sie sind inzwischen seit 17 Jahren im Geschäft und haben acht Alben veröffentlicht. Was treibt Sie heute an, wenn Sie Musik machen?
Katie Melua: Musik zu machen, fühlt sich für mich nach wie vor ziemlich neu an. Man kann in dem Feld noch so viel ausprobieren. Ein Grund, warum ich definitiv noch lange nicht gelangweilt bin, ist auch, dass ich als Person wachse. Ich bin nicht mehr 19 und habe heute ganz andere Blickwinkel auf Themen wie Liebe und Beziehungen. Über die möchte ich auch singen.
Trotzdem waren die Aufnahmen Ihres neuen Albums begleitet von einigen Zweifeln, in welche Richtung es für Sie gehen soll. Woher kamen die?
Meine ersten sechs Alben habe ich mit Mike Batt aufgenommen – ein brillanter Komponist, der mir 30 Jahre Erfahrung voraushatte. Ich habe viel von ihm gelernt. Als unsere Zusammenarbeit zu Ende ging, musste ich herausfinden, was ich machen und wie ich mich entwickeln will, zugleich aber respektvoll gegenüber meinen alten Sachen bleiben. Diese Songs haben schließlich mein Leben verändert und dafür bin ich sehr dankbar. Ich wollte wachsen, fragte mich aber auch: Kann ich das hier alleine?
Letztlich entstand das Album zusammen mit dem Georgian Philharmonic Orchestra. Was schwebte Ihnen musikalisch vor?Ich wollte das musikalische Können feiern. Ich habe immer mit Live-Musikern gespielt, aber je länger ich in der Branche bin, desto bewusster wird mir, wie selten das ist – allein schon, weil es sehr teuer ist. Inzwischen kann man seine Platten zuhause mit dem Laptop produzieren, und es kommt gute Musik dabei heraus. Ich allerdings glaube an die künstlerische Qualität, die entsteht, wenn echte Musiker zusammenkommen und das wollte ich feiern. Ich will mit meiner Musik Geschichten erzählen und Bilder malen.
Das stimmt. Ich hatte immer Schwierigkeiten, Lyrics zu schreiben. Fast jeder, mit dem ich gearbeitet habe, tut sich damit schwer. Das Schockierende ist, wie wenig man ermutigt wird, sich in dem Feld zu entwickeln. Es herrscht diese mystische Annahme, dass man entweder als Poet geboren wird oder eben nicht. Das wollte ich nie glauben. Ich liebe es zu lesen und zu schreiben. Vor vier Jahren habe dann angefangen zu recherchieren. Ich belegte sämtliche Kurse, die es in Sachen Songwriting gibt, danach widmete ich mich der Lyrik und besuchte außerdem einen Kurs in Kurzgeschichten und Fiktion an der Faber Academy.
Was haben Sie mitgenommen?So viel! Zunächst einmal viel Technisches, über den Rhythmus von Wörtern und wie man diesen mit dem Rhythmus der Musik verbindet. Ich lernte, wie die englische Sprache funktioniert, wie man reimt und magische Metaphern schaffte. In dem Kurzgeschichten-Kurs habe ich gelernt, wie ich Geschichten erzähle und Charaktere entwickele. Aber auch, wie ich Inspiration aus meinem eigenen Leben gewinne.
Nach sieben Jahren Ehe haben Sie und Ihr Mann, der ehemalige Motorradrennfahrer James Toseland, sich 2019 getrennt. Eine Erfahrung, die Sie auf Ihrem Album verarbeiten?Ich wollte aus unserer Trennung keine Sensation oder große Geschichte machen, denn das ist sie nicht. Wir hatten eine wunderbare Ehe und wir sind immer noch sehr gute Freunde. Ich wollte mich aber auch nicht davor verstecken, sondern darüber sprechen, wie ich damit umgegangen bin. Ich habe das Gefühl, dass diese Songs eine komplexere Form der Emotionen, Gefühle und Erfahrungen widerspiegeln.
Unsere Trennung lief sehr friedlich und eins der größten Probleme, die ich danach hatte, waren die bestehenden Konventionen, was eine Trennung bedeutet. Ständig wurde ich gefragt, ob es mir gut geht. Ja, mir geht es gut! Sollte das nicht so sein? In dem Zusammenhang dachte ich darüber nach, wie die Liebe in den Medien und unserer Gesellschaft dargestellt wird – von „Romeo und Julia“ bis zu „Titanic“ geht es immer darum, dass man seinen Seelenverwandten findet und dann bis zum Ende des Lebens zusammenbleibt. Ich habe diese Version der Liebe in Songs wie „The Closest Thing To Crazy“ oder „Nine Million Bicycles“ selbst besungen. Aber in der Realität passiert das fast nie. Ich will nicht sagen, dass es unmöglich ist, aber im echten Leben gibt es viel mehr Nuancen der Liebe. Sie kommt und geht.
Es geht auf „Album No. 8“ aber nicht nur um die Liebe. In dem Stück „Heading Home“ erinnern Sie sich an Ihre Heimat Georgien. Ihre Eltern verließen das Land, als Sie acht Jahre waren. Haben Sie manchmal Sehnsucht?Das habe ich. Wir fuhren jeden Sommer nach Georgien, das Land hatte für mich also immer diesen Sommer-Glanz: Am Meer sein, bei der Familie und Freunden. Meine Oma ermunterte mich zudem schon sehr früh, das Singen ernst zu nehmen. Für sie singe ich den Song.
Ihr Debüt erschien, als Sie 19 waren, drei Jahre später galten Sie als erfolgreichste Künstlerin Großbritanniens. In Georgien mussten Sie noch Wassereimer über fünf Stockwerke tragen. Ein ganz schöner Kontrast, oder?Es ist bizarr. Ich weiß noch, als mein Dad den Job in Belfast bekam. Wenn ich unsere Nachbarn traf und sie mich fragten, ob an den Gerüchten, dass wir in den Westen ziehen, etwas dran sei, sagte ich immer ich weiß es nicht. Wenn es nicht geklappt hätte, wären wir am Boden gewesen. Inzwischen hat das Land sich toll entwickelt und ich liebe es, zurückzukommen, aber damals war Georgien an seinem sehr düsteren Punkt. Es war eine große Sache, dass mein Vater in Irland einen Job als Arzt bekam und wir wegzogen.
Hat Ihre Kindheit Ihnen geholfen, bodenständig zu bleiben?Die Leute sagen mir oft, dass ich echt bodenständig bin, aber ich empfinde das gar nicht so. Meine Gedanken kreisen immer um die Musik, ich denke ständig über Songs nach. Und oft wünsche ich, ich hätte mehr Zeit mit meiner Mutter, meinem Vater oder meinem Bruder. Ein Nummer-1-Album zu haben, das ist ein Traum der wahr wird. Aber es bedeutet auch, dass man sich immer wieder beweisen muss.
Katie Melua (35) legte mit 15 Jahren in einer Talentshow den Grundstein für ihre Karriere. Mit ihrem Debütalbum „Call Of The Search“ schaffte die georgisch-britische Sängerin es direkt an die Spitze der britischen Charts. Drei Jahre später galt sie als die Künstlerin, die in Großbritannien und Europa die meisten Alben verkauft. Jetzt erscheint ihr „Album No. 8“.