Mit dem britischen Man-Booker-International-Preis ist der israelische Autor David Grossman ausgezeichnet worden. Geehrt wurde der 63-Jährige für den ungewohnt komischen Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ (Hanser-Verlag). Die Juroren würdigten das Werk als „ambitionierten Drahtseilakt“, den der Autor „spektakulär gemeistert“ habe. Grossmann ist der erste Israeli, dem der Preis zuerkannt wurde.
Die Jury lobte auch die Übersetzung ins Englische von Jessica Cohen. Das Preisgeld in Höhe von umgerechnet 57.000 Euro geht je zur Hälfte an sie und Grossman. Der Roman erzählt vom Auftritt eines Komödianten in einem israelischen Dorf – und eine grausame Entscheidung, die ihn bis heute verfolgt. Das Buch sei „schockierend“ zu lesen, urteilte die Jury.
„Eine Frau flieht vor einer Nachricht“
Grossman, dessen Werke in 36 Sprachen erschienen sind, wurde in Jerusalem geboren und gewann bereits etliche Auszeichnungen, darunter den Buxtehuder Bullen für Jugendliteratur (2001) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (Herbst 2010). Ein halbes Jahr zuvor nahm er im Bremer Rathaus den Albatros-Literaturpreis der hiesigen Günter-Grass-Stiftung entgegen. Ausgezeichnet wurde er damals für seinen 2009 in Deutschland veröffentlichten Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“, der zu seinen meistgelesenen zählt.
Dass dieser vom Nahost-Konflikt erzählende Text weltweit Leser bewegt, liegt auch an einer tragischen Koinzidenz. Denn literarische Fiktion und Kriegsrealität vermengten sich auf bittere Weise: 2003 hatte Grossman besagten Roman begonnen, der die Geschichte von Ora erzählt, deren Sohn sich zum Militäreinsatz im Westjordanland meldet – und seine Mutter furchtsam zurücklässt. Drei Jahre später, das Buch war noch nicht fertig, wurde Grossmans Sohn Uri im zweiten Libanonkrieg von einer Panzerabwehrrakete getötet. Wenige Tage nach dem Appell des Schriftstellers, die Kampfhandlungen zu beenden; wenige Stunden vor dem Waffenstillstand zwischen Israel und Libanon.
Eine Woche trauerte Grossman. Dann nahm er die Arbeit an jenem Roman wieder auf, der das Thema seines existenziellen Verlusts so frappierend vorweggenommen hatte. Begriffe wie Bewältigung, Trauerarbeit oder gar Schreibtherapie meidet er. „Weiterzumachen. Kreativ zu sein. Die Fantasie gegen den Tod aufzubieten" ist das Credo des Friedensaktivisten geblieben.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!