Bremen. Für wen diese Musik bestimmt ist, hat der Komponist selbst entschieden: „Denen Liebhabern, und besonders denen Kennern von dergleichen Arbeit, zur Gemüths Ergezung verfertigt von Johann Sebastian Bach“ steht unter der Dachzeile „Dritter Teil der Clavierübung“ . Höchsten Ansprüchen also solle die Sammlung genügen, folgert Stephan Leuthold, und beginnt schon einmal damit, seinem Publikum all die kompositorischen Finessen Bachs zu erläutern. In insgesamt drei gut einstündigen „Gesprächsmotetten“ möchte der Domorganist dieses Jahr seinen Zuhörern von der Orgel aus den „Dritten Teil der Clavierübung“ näher bringen.
Schnell wird klar: Leuthold scheut sich nicht, den großen Spagat, den Bach vorgemacht hat, nachzuvollziehen. Auch er versucht, Liebhaber und Kenner der Musik zugleich zu bedienen. Das Praeludium Es-Dur spielt er seinem Publikum zunächst unkommentiert vor. Der Clou hinter den vielen kompositorischen Finessen liege schließlich darin, dass der Zuhörer gar nicht merken müsse, wie aufwändig die Musik komponiert sei. Er könne diese auch ohne großes Vorwissen genießen, sagt Leuthold, ehe er tiefer in die Materie eintaucht.
Insbesondere Johann Sebastian Bachs Umgang mit der Zahl drei als Symbol der Dreifaltigkeit erscheint dem Organisten wichtig. Entsprechend ausführlich erklärt er seinen Zuhörern die drei Themen für „Gott Vater“, „Christe aller Welt“ und „Gott heiliger Geist“. Auch geht Leuthold auf die Charakteristika der Tonarten ein, um seine theoretischen Ausführungen mit Hörbeispielen zu unterfüttern. Auf diese Weise erfährt das Publikum etwa auch, dass es sich bei einem scheinbar viel zu langen Ton im „Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit“ mitnichten um einen Satzfehler Bachs handelt, sondern um ein Symbol für die Ewigkeit.
So sehr es sich lohne, die Noten zu analysieren – der Zuhörer finde den Schlüssel zum Verständnis der Musik auch stets im jeweiligen Liedtext, erklärt der Organist. Auch wer nicht so bewandert in der Notenlektüre sei, könne sich Bach auf diese erschließen, sagt Leuthold und resümiert: „Das Wissen ist für das Hören nicht notwendig. Die Musik spricht für sich.“
Wie diese „Gesprächsmotette“ einzuschätzen ist, beschreibt eine Zuhörerin im Hinausgehen: Wer Orgel studiere, habe womöglich noch mehr von Veranstaltungen wie dieser als sie. Trotzdem werde sie sich auch künftig nicht die Chance entgehen lassen, auf diesem Niveau dazuzulernen: „Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir hier so einen tollen Organisten haben.“