Die Messe Jazzahead wächst und wächst: Das betrifft zum einen die Zahl der Aussteller, zum anderen aber auch die Anzahl der Bands, die in Kurzsets in den beiden Sälen der Messe sowie im Schlachthof zu erleben waren.
Allein bei der „Overseas Night“ und dem „European Jazz Meeting“ waren zwischen Freitagabend und der erste Stunden des Sonntages sage und schreibe 26 Bands zu hören – keine Chance sie alle hier zu würdigen, und so bleibt nur die Beschränkung auf die Auffälligsten.
Das 19-köpfige Christine Jensen Jazz Orchestra aus dem kanadischen Montreal erwies sich als solide, spielstarke Band, die aber nur selten Ausreißer aus dem üblichen Big Band-Sound riskierte, eher auf breit angelegten Klangflächen vertraute. Ganz anders das Trio der ebenfalls kanadischen Pianistin und Akkordeonistin Marianne Trudel, die zwischen lyrischen Momenten und kantigen Ausbrüchen changierte. Um ein Erhebliches wuchtiger und kantiger das Pianotrio des US-Amerikaners Marc Carey, das satte Grooves mit indischen Zählzeiten verband, und vor Energie nur so strotzte. Die beiden ungewöhnlichsten Bands der „Overseas Night“ waren Saxofonist Jacques Schwarz-Bart mit seinem Projekt „Jazz Racine Haiti“, zu dem die stimmgewaltige Voodoo-Priesterin Tikaya Benjamin gehört, und das einen Brückenschlag zwischen haitianischer Folklore und Jazz zeigte, sowie das multinationale Quintett „Monoswezi“ das traditionelle Motive aus Zimbabwe und Mozambique mit nordisch-kühlem europäischem Jazz verband. Beide Formationen kamen allerdings über den Zustand einer Begegnung nicht hinaus, eine echte Verschmelzung fand nicht statt.
Mit einem Paukenschlag begann das „European Jazz Meeting“: Die junge slowenische Pianistin Kaja Draksler startete mit donnernden Sounds im Inneren des Flügels, und bot in der Folge ein ungemein spannendes Wechselspiel zwischen Neue-Musik-Idiom, Free-Attacken und impressionistischen Passagen. Eine Entdeckung! Posaunist Nils Wogram dagegen ist mit seinem Quartett „Roots 70“ eine bekannte Größe in der europäischen Jazzszene. Das hat er um drei Streicher erweitert, und nun pendelt das Septett zwischen Jazz und Kammermusik, integriert mongolischen Obertongesang, so dass ein schillerndes Geflecht entsteht, in dem sich durchaus ironische Parts finden. Ironie ist auch in der mit diversen Brechungen operierenden Musik des belgischen Trios „Too Noisy Fish“ zu entdecken, das Krawall-Intros in verträumte Melodienseligkeit übergehen lässt. Als noch wuchtiger, noch radikaler erwies sich das Schweizer Schaerer-Niggli-Duo. Sänger Andreas Schaerer vervielfachte seine Stimme elektronisch, legte monströse Drone-Klänge darunter, und Trommler Lucas Niggli grätschte immer wieder furios dazwischen. Wie lustig eine multimediale Show auch sein kann, demonstrierte dagegen das niederländische Pianotrio „Tin Men And The Telephone“. Die exzellenten Musiker ließen Smartphone-Besitzer über ihre jeweilige Spielweise abstimmen („nervös“, „verträumt“, „trinkt ein Bier“), hielten sich an die Anweisungen, und hatten noch andere interaktive Späße auf Lager. Von ganz anderer, kaum weniger faszinierender Qualität das Straßburger Quintett L‘Hijâz‘Car, das auf akustischen, zum Gutteil arabischen Instrumenten eine zutiefst intensive Durchdringung von arabischen Metren und Jazz-Motiven (bis zu Ellington) herstellten. Schließlich noch einmal der schon erwähnte Sänger Andreas Schaerer im Trio mit dem Gitarristen Peter Rom und dem Trompeter Martin Eberle, die ein wahres Feuerwerk der Sounds vom Beatboxing über riskante Experimente bis zu hoch verdichteten, lyrischen Passagen abbrannten. Begeisternd!