Bremen. Als Willy Schwarz sieben Jahre alt war, begann er sich am Klavier eigene Melodien auszudenken. Der Grund: Er wollte seiner Mutter die Zeit beim Bügeln vertreiben. „Sie hasste Bügeln“, sagt der amerikanische Musiker. Das ist mittlerweile rund 60 Jahre her.
Heute lebt Schwarz in Bremen, beherrscht neben dem Klavier noch unzählige andere Instrumente, darunter viele, von denen Laien wie auch der ein oder andere Musikbegeisterte wohl noch nie etwas gehört haben. Sarod, Vichitra Vina, Sarangi, verschiedene Bambus-Flöten, Tabla-Trommeln: Mehr als 50 Instrumente versammeln sich in Schwarz‘ kleiner Bremer Wohnung – auf allen kann er spielen. Mitgebracht hat er sie von seinen zahlreichen musikalischen Reisen rund um die Welt. Viele stammen aus Indien, denn dort hat Schwarz 1970 angefangen, indische Musik zu studieren. „Die Musik hat mich von Anfang an begeistert, weil sie etwas Zeitloses hat und technisch sehr anspruchsvoll ist“, sagt Schwarz.
Seine Ausbildung und seine Vielseitigkeit gehörten zu den Gründen, warum das City 46 ihn vergangenes Jahr mit einer Idee angesprochen hat: Das Kommunalkino wollte den klassischen Stummfilm „Die Leuchte Asiens“ aus dem Jahr 1925 zeigen. Schwarz sollte die Aufführung im Kino musikalisch begleiten. Er sah sich den Film an, und ihm war schnell klar: Dieser Film brauchte einen kompletten, aufgenommen Soundtrack. Dass er den Klassiker alleine im Kino live begleitet, machte für ihn einfach keinen Sinn. „Wie würde das denn wirken, wenn auf der Leinwand ganz viele Pferde durchs Bild galoppieren und ich mit einer Flöte daneben sitze?“, sagt der Musiker und runzelt die Stirn.
Also begann Schwarz finanzielle Unterstützung für sein Projekt zu suchen und wurde beim indischen Kulturministerium fündig, das das Projekt zumindest mit einer kleinen Spende unterstützte. Mit ins Boot holte er sich Riccardo Castagnola, Bremer Komponist zeitgenössischer elektronischer Musik, und schnell wurde der Soundtrack für beide zu einer Herzensangelegenheit. Mehr als vier Monate arbeiteten sie bei Schwarz Zuhause an der Musik für den rund eineinhalbstündigen Film. Da sie ein bereits bestehendes Werk vertonen wollten, musste erst einmal ein genauer Plan her, bevor sie mit den Aufnahmen beginnen konnten. Schwarz komponierte und spielte jahrelang Musik für Theater in Chicago, schrieb die Musik für Stücke, die in Los Angeles, Melbourne, London und auch am Broadway aufgeführt wurden. „Meine Theatererfahrung hat mir jetzt bei dem Film geholfen“, sagt er. „Es gibt Ähnlichkeiten, auch hier muss man mit der Musik eine Geschichte erzählen, insbesondere, wenn im Film nicht gesprochen wird.“
Zurück in die Heimat
Als der musikalische Plan stand und es an die Aufnahmen ging, half ein mit einem Schlafsack umwickelter Wäscheständer dabei, den Schall in Schwarz‘ Wohnung zu isolieren. „Das klappte ganz gut“, betonen die Musiker. Um das professionelle Feintuning der Aufnahmen, die ja auch alle Kinostandards erfüllen sollten, kümmerte sich Castagnola anschließend in einem Studio. „Wir starteten also mit einem Wäscheständer und endeten bei höchsten technischen Standards“, fasst Schwarz zusammen und lacht.
Das Ergebnis lässt sich durchaus hören, passt zum Film, als wäre die Musik schon immer da gewesen. Kein Wunder, denn Castagnola und Schwarz haben westliche Harmonien vermieden, sich strikt an klassischen indischen „Ragas“ (melodischen Grundstrukturen der klassischen indischen Musik) und Volksliedern orientiert.
Mittlerweile zieht das Projekt seine Kreise: Das deutsche Filminstitut hat dafür gesorgt, das der Film eine neue Tonspur bekommt. Im Dezember soll „Die Leuchte Asiens“ mit seiner neuen Musik in der indischen Botschaft in Berlin gezeigt werden, auch Vorführungen bei verschiedenen einschlägigen Festivals sind im Gespräch. „Wir freuen uns, wenn wir eingeladen werden“, sagt Castagnola.
Schwarz setzt sich dafür ein, dass dieses Stück neuaufgelegte Kultur auch in Indien wieder seine Zuschauer findet. Mit ersten Erfolgen: Der Direktor des Goethe-Instituts im Indischen Chennai will den Film im Januar zeigen. Schwarz wird dafür nach Indien reisen, den Film quasi zurück in seine Heimat bringen. Natürlich auch mit dem einen oder anderen Instrument im Gepäck – auf dem Rückweg vielleicht noch mit ein paar mehr.
„Die Leuchte Asiens“
erzählt die Lebensgeschichte und den spirituellen Werdegang des Buddhas Gautama. Es handelt sich hierbei um die erste deutsch-indische Filmproduktion sowie die erste internationale Koproduktion Indiens. Der deutsche Regisseur Franz Osten drehte zusammen mit dem indischen Regisseur Himansu Rai ausschließlich an Originalschauplätzen in Indien. Der Maharaja von Jaipur stellte dafür seinen Hofstaat, sein Schlosspersonal und 30 Elefanten zur Verfügung. Der Film bietet dadurch einen einzigartigen Blick auf das Indien der 1920er-Jahre. Weil der Film bei seiner ersten Aufführung mit musikalischer Untermalung im Januar so großen Anklang fand, zeigt das City 46 ihn jetzt erneut.
„Die Leuchte Asiens“, 25. November, 20.30 Uhr, im City 46. Mit fertigem Soundtrack und einer musikalischen Einführung durch Willy Schwarz. Weitere Infos unter www.city46.de.
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