Schwarz und weiß sind die Farben, die die Bühne dominieren. Weiß ist der Schaum, der den Boden bedeckt. Zwei Vorhänge aus schwarzen Klumpen, die wirken wie zusammengedrehte Müllsäcke, begrenzen die Fläche. Es ist eine abstrakte Landschaft oder eine, die einen Anfang kennzeichnet. Das jedenfalls suggeriert „Momentum Zero“, so der Titel der zweiten Produktion, die der Choreograf Helge Letonja mit dem neu gegründeten Ensemble Of Curious Nature am Theater Bremen zeigt. Im Kleinen Haus feierte das Stück am Freitagabend Premiere.
„Momentum Zero“ also, der Zeitpunkt, an dem alles beginnt, beginnen kann oder wieder beginnt. Helge Letonja hat aus dieser Vorgabe eine überaus faszinierende wie sinnliche Meditation mit sechs Tänzerinnen und Tänzern gestaltet. Die atmosphärische Musik dazu hat, wie schon bei der ersten Produktion „On the Shoulders of Giants“, Simon Goff beigesteuert.
Der Berliner Komponist verwendet pulsierende Percussionelemente, Industrialsounds, imitiert das Rattern von Zügen, schleifende Geräusche oder das Tosen eines Sturms am Meer. Dann wieder geben Violinen sanft den Ton an oder ein Lied von Richard Strauss („Morgen!“) ist zu hören. Kossi Sebastien Aholou-Wokawui, Oh Changik, Cristina Commisso, Albert Galindo, Jure Gostincar und Einav Kringel begeben sich zu diesen Klängen und in dieser Landschaft auf eine Suche – nach sich selbst, nach einem Miteinander, das manchmal zunächst ein Gegeneinander sein kann.
Die ungarische Kostümbildnerin Csenge Vass hat sie in famose, aufwendige Kostüme gesteckt, die an Science-Fiction-Filme gemahnen, und wie Aliens im Schaumbad bewegen sich die Tänzer dann auch. Die massigen schwarzen Plateaustiefel erden sie zwar, sind ihnen aber gleichzeitig eine tonnenschwere Last. Jedes Ausschreiten geschieht zudem auf unsicherem Terrain, ist voller Gefahren, wie die eigene Position, die eigene Existenz es auch sind. Man kann jederzeit ausrutschen und im Schaum verschwinden – was auch einmal passiert. Die sechs wanken, taumeln, zucken, gleiten und recken sich. Letonja hat mit ihnen gemeinsam zudem Pas de deux und Ensembleszenen entwickelt, die von anrührender Schönheit und Symmetrie sind. Da verschlingen sich Körper wie zur endgültigen Symbiose ineinander, driften gleich darauf voneinander weg, einmal spielt sogar ein Messer eine Rolle. Manche Szenen strahlen eine große Anmut aus. Andere haben, kraftvoll und überaus dynamisch getanzt, etwas Ritualhaftes, als wollten die Sechs sich ihrer Bewegungen und Umgangsformen noch einmal gesondert versichern, bis hin zum Sprechgesang geht das. Dann ist da noch „die Kreatur“, die Csenge Vass in eine Art Fleischlappen-Kostüm gesteckt hat. „Die Kreatur“ ist roh, steht noch ganz am Anfang, beobachtet die anderen aus dem Hintergrund, von der Seite her. Dann traut sie sich was, springt auf den Tisch, schüttelt all den Schaum von sich ab. Ist mittendrin. Denn die anderen nehmen sie auf.
Weitere Informationen
Die nächsten Termine: 18. Oktober, 18.30 Uhr; weitere Aufführungen sind geplant für den 17./18./19. Dezember. Dauer: 75 Minuten.