Es ist ein eigentümlicher Arbeitsplatz, dem Jakob einen schier endlosen Sommer lang zustrebt: eine Fabrik am Stadtrand, von der niemand zu wissen scheint, was genau darin produziert wird: „Durch die größeren Maschinen laufen lange Stoffbahnen. Kleine Nadeln fahren auf sie hinab in einem schnellen hämmernden Rhythmus, der bis in die Nacht hinein das Gebäude ausfüllt.“ Auch der Verhaltenskodex für die Arbeiter gibt Jakob Rätsel auf. Was ist beispielsweise davon zu halten, wenn ausgerechnet das Lesen der Bibel in einem Betrieb streng untersagt ist?
So lange sich Hartmann um Jakob, den Zugezogenen, kümmert, mögen solche Fragen zweitrangig sein. Denn Hartmann hat Jakob für den Job empfohlen, und Hartmann weiß meist Rat. Doch als sein Mentor verschwindet, die Bewohner der Stadt verhaltensauffällig werden und eine mit kleinen Schellen geschmückte Spukgestalt umgeht, ist Jakobs Eigeninitiative jäh gefragt.
Philipp Böhm, Jahrgang 1988, hat für sein spannendes Romandebüt ein sagenumwobenes Schreckgespenst seiner Kindheit reanimiert. Überhaupt, so räumte der Ludwigshafener unlängst in der Urlesung seines Textes in der Bremer Schwankhalle ein, bediene sich sein Werk ein ums andere Mal bei seiner Vita; freilich bis zur Unkenntlichkeit travestiert. Böhm ist ein Erzähler, der die Wiederverzauberung der Welt mit unheimlichen Stilmitteln betreibt. Ihm ist, unter anderem, ein Schauermärchen der Arbeitswelt gelungen. Sein Text geht dem Leser nahe und nach.
Böhm, der in Jena und Bremen Germanistik und Politik studierte, erhielt 2014 das Bremer Autorenstipendium. Schön zu wissen, dass die Förderung dieses aufstrebenden Autors reife Früchte trägt.
Weitere Informationen
Philipp Böhm: Schellenmann.
Verbrecher, Berlin. 224 Seiten, 20 €.
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