Bremen. Sie entwarf Kleider für Romy Schneider, Uschi Glas und Veronica Ferres. Sie kleidete Mario Adorf, Hannelore Elsner und Heinz Ehrhardt ein. Kostümbildnerin Ingrid Zoré ist eine „Grande Dame“ ihres Fachs. Seien es Fernsehproduktionen wie „Drei Damen vom Grill“ (1977-1991) und „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ (2007) oder Kinofilme wie „Die Feuerzangenbowle“ (1970) und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (1981): Diese Frau hat Weltstars hautnah in der Garderobe erlebt.
Als die Bremer Schriftstellerin Birgid Hanke die Kostümbildnerin vor sechs Jahren kennenlernte, war sie sich sicher: „Über diese Frau will ich etwas schreiben!“ Denn Zoré habe so viel zu erzählen gehabt, so viele Anekdoten über ihre Begegnungen mit Kim Novak oder Harald Juhnke. „Sie sollten ein Buch schreiben“, habe sie zu Zoré gesagt. Die Antwort der Berlinerin: „Det kann ick nich‘.“ Zwei bis drei Jahre habe nach diesem Gespräch kein Kontakt bestanden, sagt Hanke. Sie schrieb in der Zwischenzeit einen Roman, schob die Idee bei Seite. Doch sie vergaß sie nicht und nahm den Kontakt wieder auf. Denn Hanke versteht sich nicht als Künstlerin, sie mag die Arbeit mit Fakten. Sie schrieb zuvor schon Biografien über Carl F. W. Borgward, Karl Friedrich Schinkel und Fritz Reuter. Für Ingrid Zoré schien ihr eine Biografie zu schlicht. Sie plante etwas Größeres, etwas Elegantes und Anspruchsvolles.
Mit ihrem Werk möchte Hanke die dem Kino- und Fernsehpublikum weitgehend unbekannte Ingrid Zoré ins Rampenlicht rücken. Kostümbildner hegen oft ein Schattendasein. Ihre Arbeit bleibt meist unsichtbar, während Schauspieler und Regisseure Aufmerksamkeit und Preise erhalten.
Sechs Jahre nach der ersten Idee ist das Projekt im Mai fertig geworden, dank einer Förderung der Verwertungsgesellschaft Bild und Kunst. Im Mai, püntlich zum 80. Geburtstag „meiner Ingrid“, wie Hanke sagt. Darüber ist Hanke besonders glücklich; sie hatte es der alten Dame versprochen. Sie bezeichnet ihre Arbeit als ein „Multiple“. Der Begriff beschreibt ein Werk, bei dem die Kunstobjekte seriell hergestellt werden, ähnlich der Ready-mades des Dadaisten Duchamps.
Ihr Multiple besteht aus Kunstdrucken von Skizzen, die Zoré für ihre Kostüme anfertigte, und von Fotos der Kostüme, sowie aus einem Buch. Unter dem Titel „Es muss stimmen“ hat die Bremerin die Vita der Kostümbildnerin auf 70 Seiten aufgeschrieben. „Es ist mehr eine Arbeitsvita als Biografie“, sagt Hanke. Die Gestaltung übernahmen Kristina Kerbs, Tim Jahnz und Lars Gorath von der Kunsthochschule Wandsbek.
In das Buch hat Birgid Hanke viel Herzblut hinein gesteckt. Sie hat Regisseure und Schauspieler angeschrieben, um von ihnen Erinnerungen an Ingrid zu erhalten. Es zeigt auch Fotos der jungen Ingrid Zoré und schildert eine Begegnung mit Romy Schneider am Set.
Mehrmals hat Hanke die Kostümbildnerin in ihrer Altbauwohnung in Berlin-Steglitz besucht, um mit ihr Interviews zu führen. 15 bis 20 Stunden Interviewmaterial hätten sich angesammelt. „Wenn sie beim Abendessen plötzlich etwas erzählte, schnappte ich mir schnell mein Handy und schnitt es mit“, sagt Hanke. Für die Mitschnitte interessiere sich die Deutsche Kinemathek, das Film- und Fernsehmuseum in Berlin.
Für Birgid Hanke war die Arbeit mit Ingrid Zoré besonders. Zum ersten Mal schrieb sie eine Biografie über eine Person, die noch lebt, die sich einmischen kann, wenn ihr etwas missfällt. Hanke schreibt gern über Menschen. „Mich reizen interessante Figuren“, sagt sie. Zwischen den Frauen hat sich eine vertraute Beziehung entwickelt. „Es bestand von Anfang an eine Sympathie zwischen uns“, erzählt Hanke. „Aber erst nach vier Jahren haben wir uns nicht mehr gesiezt.“ Ihr Verhältnis beruhe auf gegenseitiger Anerkennung. Hanke schätzt an Zoré ihre handwerklichen Fähigkeiten als Schneiderin und ihr Gespür für Mode. Zoré bewundere sie für ihr Schreiben.
Am 3. September stellen Birgid Hanke und Ingrid Zoré das Buch in der Villa Sponte (Osterdeich 59B, 20 Uhr) vor. Hanke ist derweil mit ihren Gedanken schon beim nächsten Projekt. Sie möchte wieder einen Star aus der zweiten Reihe porträtieren: Den Maskenbildner Kuno Schlegelmilch.